Wir alle repräsentieren als Abgeordnete das Volk. Wir vertreten die legitimen Interessen unserer Wähler und Parteien, aber: Wir haben immer auch das Gemeinwohl im Blick zu behalten. Verwechseln wir Repräsentation deshalb nicht mit Repräsentativität. Jeder Einzelne von uns bildet nicht einfach einen Teil des Volkes ab. Artikel 38 GG ist eindeutig: Abgeordnete sind „Vertreter des ganzen Volkes“. Auch wenn sich die gewachsene Vielfalt unserer Gesellschaft in der Volksvertretung wiederfinden soll: der Bundestag wird nie ein exaktes Spiegelbild der Bevölkerung sein. Wer Repräsentation mit Repräsentativität gleichsetzt, wird eine Fülle eklatanter Abweichungen finden: in beruflicher, in regionaler, in kultureller oder religiöser Hinsicht. Und er leistet dem irrigen Verständnis Vorschub, dass gesellschaftliche Gruppen nur durch ihre eigenen Angehörigen vertreten werden könnten. Bei wem fangen wir an? Wo endet das? Ein Parlament, das zwar die Vielfalt abbildet, aber darüber keine Mehrheiten schaffen kann, ist kein Parlament!
Wolfgang Schäuble, Alterspräsident des Bundestages
Hallelujah!
Diese Sätze gehören in Stein gemeißelt. Ich war sehr froh, dass das am 26. Oktober 2021 mal jemand so klar und deutlich ausgesprochen hat, wo es hingehört – im Parlament.
Ich war nie CDU-Parteigänger, geschweige denn ein Fan von Schäuble – Kohl, Geldkoffer, jüdische Vermächtnisse, Spenendaffäre etc. -, aber hier hat er absolut recht.
Sinngemäß gilt dasselbe, wie vor Jahren schon hier an dieser Stelle festgehalten, auch für Redaktionen. Wäre dieser Grundsatz nicht im Zuge der allgemeinen Online-Verhunzung unter die Räder geraten, stünde es besser um die Branche. Ganz sicher.