Gegen billige Etikette und bequeme Vereinfachung

Andre­as Thro­ni­cker, Stadt­füh­rer und Blog­ger. (Foto: ZDF)

Hät­te nie gedacht, mal ech­tes Inter­es­se an Baut­zen zu ent­wi­ckeln. Dass das nicht frü­her pas­sier­te, liegt sicher nicht an der ost­säch­si­schen Stadt im Sor­ben­land, mit der ich offen gesagt nicht viel ande­res ver­band als den Knast, son­dern ein­deu­tig eher an mei­ner Igno­ranz. Das geän­dert zu haben, ist das Ver­dienst einer bemer­kens­wer­ten vom ZDF pro­du­zier­ten Rei­he auf Arte.

Die zehn Tei­le kann man sich gut anse­hen, wenn man sich auch nur ein biss­chen für das Loka­le an sich und die Lokal­po­li­tik im Beson­de­ren inter­es­siert. Kann sein, dass man­che das The­ma und For­mat lang­wei­lig fin­den. Ich fin­de es gera­de spannend.

Es kom­men die ver­schie­dens­ten Bewoh­ner Baut­zens zu Wort. Nicht nur die übli­chen Ver­däch­ti­gen, die dann ihre PR-Bla­sen abson­dern, son­dern vie­le ganz nor­ma­le Leu­te und sol­che, die ver­su­chen, das nicht immer unpro­ble­ma­ti­sche Zusam­men­le­ben über poli­ti­sches Enga­ge­ment zu ver­bes­sern: die Stadt­rats­kan­di­da­tin, die allein­er­zie­hen­de Mut­ter, ein Abitu­ri­ent, die Sozi­al­ar­bei­te­rin, der Medi­en­schaf­fen­de, der Künst­ler aus Frank­reich, der Lokal­jour­na­list, die Flücht­lings­frau, der Stadtführer …

Was die zehn­tei­li­ge Doku-Serie so außer­ge­wöhn­lich macht: Sie kommt ganz ohne Kom­men­tar aus. Allein das ist in Zei­ten des mora­lin­sauren deut­schen Erzie­hungs-TV eine muti­ge, aber loh­nen­de Entscheidung. 

Anne-Sophie Jaku­betz und Mathi­as von der Hei­de haben jour­na­lis­ti­sche Kärr­ner­ar­beit geleis­tet – gesam­melt, sor­tiert und auf­be­rei­tet, wie­der gesam­melt, wie­der sor­tiert und auf­be­rei­tet. Und noch­mal und noch­mal. Ganz sicher eine Mordsarbeit.

Was dabei her­aus­ge­kom­men ist, darf der Zuschau­er – oder muss man jetzt Zuschau­en­de sagen? – sel­ber beden­ken und bewer­ten. Als mün­di­ger Mensch.

Schön, dass es das noch gibt.

Schreibe einen Kommentar