Guttenberg und das System

Schon lan­ge geht es nicht mehr nur um TzG.

"Aber mein Volk liebt mich doch!"
»Aber mein Volk liebt mich doch!«

Ob da ein mäßig begab­ter eit­ler Fatz­ke sich einen Dok­tor­ti­tel erschleicht, könn­te einem weiß­wursch­te­gal sein. Wenn sich da nicht ein Mus­ter zeig­te. Der Ross­täu­scher im Minis­ter­amt steht stell­ver­tre­tend für eine Kas­te von Poli­to­kra­ten, die sich mei­len­weit von denen ent­fernt hat, die zu ver­tre­ten sie vor­ge­ben. So leicht wie ihnen Voka­beln wie »Glaub­wür­dig­keit«, »Ver­trau­en«, »Ehr­lich­keit«, »Ver­läss­lich­keit«, »Gerad­li­nig­keit« über die Lip­pen gehen, wenn sie über­zeu­gungs­schwan­ger ihre Fens­ter­re­den schwin­gen, so leicht tre­ten sie alles das, was die­se Wor­te benen­nen, mit Füßen, wenn ihre Gier, ihre Kor­rupt­heit, ihre Cha­rak­ter­schwä­che, ihr ver­lo­ge­nes Wesen offen­bar wird. Als Eli­te neh­men nur sie selbst sich noch wahr. Und jene, die mit ihnen sym­bio­tisch-medi­al in einer Gast-Wirt-Bezie­hung ver­bun­den sind – also zum Bei­spiel die Bild-Zei­tung. Alle ande­ren wen­den sich ab mit Grausen.

Ande­rer­seits: Man muss dem Frei­herrn gera­de­zu dank­bar sein für sein für sei­nen Aus­rut­scher auf dem poli­ti­schen Par­kett. Denn er hat bei sei­nem Stol­pe­rer auf der Ber­li­ner Büh­ne, indem er sich an ihm fest­krall­te, den Vor­hang zum Back­stage-Bereich ein Stück weit her­un­ter­ge­ris­sen. Es tat sich wie­der ein­mal der Blick auf eine Par­al­lel­ge­sell­schaft auf, in der Regeln gel­ten, die rein gar nichts mit dem wirk­li­chen Leben zu tun haben. Dort füh­ren Leu­te das gro­ße Wort, die sich oft nicht durch Leis­tung qua­li­fi­ziert haben, son­dern auf ganz ande­ren Tickets rei­sen: weil sie Quo­ten erfül­len, also irgend­ei­nen Pro­porz im inter­nen Wer­te­ge­fü­ge der Par­tei­en bedie­nen, oder weil sie von mäch­ti­gen Ver­bän­den und Unter­neh­men als gekauf­te Lob­by­is­ten plat­ziert wor­den sind.

Das gilt, so ganz pau­schal, für das kom­plet­te poli­ti­sche Spek­trum. Die­se Poli­tik­ge­winn­ler gibt es in jeg­li­cher Cou­leur. Ent­schei­dend ist, dass das mafiö­se Prin­zip stets das­sel­be ist – Abhän­gig­kei­ten schaf­fen, säen und ern­ten und nach außen den Bie­der­mann mar­kie­ren. Ein geschlos­se­nes Sys­tem, in das nur vor­dringt, wer sich den dar­in real exis­tie­ren­den Regeln unterwirft.

Hüt­chen­spie­ler sind sie alle­samt. Dank Herrn Copy zu Pas­te wis­sen wir aber nun, dass das Spiel auf dem Ber­li­ner Jahr­markt auch mit Dok­tor­hü­ten gespielt wird. Und dass die len­ken­de Hand der Par­tei­en offen­bar auch bis in die Ent­schei­dungs­gre­mi­en der ach so unab­hän­gi­gen wis­sen­schaft­li­chen Insti­tu­te reicht. Freie Wis­sen­schaft? Alles Mum­pitz. Auch da wird unter täti­ger Mit­hil­fe uni­ver­si­tä­rer Gre­mi­en und ange­se­he­ner (!) Hoch­schul­leh­rer mit lang­fris­ti­ger Per­spek­ti­ve an poli­ti­schen Kar­rie­ren gebas­telt. Man weiß ja nie, wann sich’s mal auszahlt.

Nicht ein­mal denen aus dem Polit-Zir­kus, die sich nun mehr oder weni­ger laut­stark empö­ren, kann man ihre Ent­rüs­tung abkau­fen. Falls der pseu­do-pro­mo­vier­te Popanz doch noch weg­ge­bis­sen wer­den soll­te, dann wohl nur, weil er das Sys­tem gefähr­det. Die Posen der Ver­är­ge­rung sind letzt­lich genau­so hohl wie der auf­ge­bla­se­ne Lebens­lauf des blau­blü­ti­gen Beinahe-Kanzlerkandidaten.

Ange­sichts des ins­ge­samt uner­quick­li­chen Gesamt­ge­mäl­des passt der Aus­spruch des Malers Max Lie­ber­mann: »Ach, wis­sen Se, ick kann jar nich soville fres­sen, wie ick kot­zen möchte.«

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