Meine Kinder kriegt ihr nicht

Man kann sie nicht früh genug an den Krieg gewöh­nen – oder?

In den Alben unse­rer Eltern gibt es nach mei­ner Mei­nung viel zu vie­le sol­cher Bil­der. Der Vater zieht in den Krieg; Soh­ne­mann übt schon mal und pro­biert Stahl­helm und Kno­bel­be­cher an. Mich gru­selt es bei die­sem Anblick. 

Das Foto ist bedrü­ckend aktu­ell. In wel­chem Tem­po vor allem von Uni­on, FDP und Grü­nen gepre­digt wird, Deutsch­land müs­se (wie­der) kriegs­tüch­tig wer­den, ver­schlägt mir den Atem. 

Der klei­ne Hein, der hier mit Helm und Stie­feln sei­nes Vaters abge­lich­tet wur­de, hat ihn lan­ge nicht mehr gese­hen. Sehr lan­ge. Gut mög­lich, dass dies das Abschieds­bild war. Der Papa zog in den Krieg und kam erst Jah­re danach heim. Und war nicht mehr derselbe. 

Hein ver­stand nicht, wer der frem­de Mann war. Er nann­te ihn »Onkel Sol­dat«. Was Krieg und Gefan­gen­schaft mit ihm gemacht hat­ten, das behielt er für sich. Frau und Kind muss­ten mit dem Mann leben, der ihnen fremd gewor­den war.

Hein hat­te kein beson­ders glück­li­ches Leben. Er war zwar gesel­lig, hat­te eine schö­ne Stim­me und sang gern. Aller­dings spuck­te er auch nicht ins Glas. Was ihm nicht gut­tat. Wer weiß, was er erträn­ken wollte.

Der Krieg hat unzäh­li­ge Leben genom­men und unzäh­li­ge See­len kaputtgemacht.

Hein ist nicht alt gewor­den und auch schon lan­ge tot; er war, wenn­gleich ein paar Jah­re älter, mei­ne Gene­ra­ti­on und die mei­ner Frau. Sein Vater war die Gene­ra­ti­on auch mei­nes Vaters, für den der Krieg auf der Krim in Sewas­to­pol begann und bei Wewer nahe Pader­born endete. 

In geschicht­li­chen Zeit­räu­men betrach­tet war das alles erst ges­tern. Und schon wie­der erzäh­len uns angeb­li­che Volks­ver­tre­ter, Krieg, Auf­rüs­tung und Eska­la­ti­on sei­en die Mit­tel der Wahl und Beson­nen­heit und Frie­dens­lie­be ein Zei­chen von Schwä­che und Feig­heit. Igno­rant, dumm und geschichts­ver­ges­sen. Zum Fremdschämen.

Wenn ich das Bild von Hein in der Hand hal­te, den­ke ich: Mei­ne Söh­ne und Enkel kriegt ihr nicht.

Zeit­los aktuell.

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