Vier Sätze und eine Regierungskrise

Zuviel Rück­grat: Hans-Georg Maaßen.

Sei­ne Geg­ner bekom­men eine zwei­te Chan­ce. Nun soll Hans-Georg Maa­ßen, der geschass­te Chef des Bun­des­am­tes für Ver­fas­sungs­schutz, end­gül­tig zur Stre­cke gebracht wer­den, nach­dem das zunächst nur unvoll­kom­men geglückt war.

Anlass ist sei­ne Abschieds­re­de vor Kol­le­gen. Hier die Anspra­che, die am 18. Okto­ber in War­schau gehal­ten wur­de, im Wort­laut. [1]Quel­le: Tages­schau

»Lie­be Kol­le­gin­nen und Kollegen,

ich möch­te mich heu­te aus die­sem Kreis nach über sechs­jäh­ri­ger Zuge­hö­rig­keit von Ihnen ver­ab­schie­den. Man­che Abschie­de sind geplant, z. B. wenn der Arbeits­ver­trag befris­tet oder wenn eine bestimm­te Alters­gren­ze erreicht ist, wie bei unse­rem Freund Rob, ande­re Abschie­de sind nicht geplant und etwas über­ra­schend, wie bei mir.

Die Vor­sit­zen­den der drei Par­tei­en, die die Bun­des­re­gie­rung in Deutsch­land bil­den, Frau Mer­kel, CDU, Herr See­ho­fer, CSU, und Frau Nah­les, SPD, hat­ten am 23. Sep­tem­ber beschlos­sen, dass ich als Prä­si­dent des Bun­des­ver­fas­sungs­schut­zes abge­löst wer­den soll. Damit ist eine Regie­rungs­kri­se In Deutsch­land been­det wor­den. Die SPD hat­te mit einem Bruch der Koali­ti­on gedroht, wenn ich wei­ter im Amt blei­ben würde.

Hin­ter­grund der Regie­rungs­kri­se war die Tat­sa­che, dass ich am 7. Sep­tem­ber gegen­über der größ­ten deut­schen Tages­zei­tung »Bild-Zei­tung« die Rich­tig­keit der von Medi­en und Poli­ti­kern ver­brei­te­ten Berich­te über rechts­extre­mis­ti­sche »Hetz­jag­den« bzw. Pogro­me in Chem­nitz in Zwei­fel gezo­gen hat­te. Am 26. August 2018 war ein Deut­scher von Asyl­be­wer­bern in Chem­nitz getö­tet wor­den. Am glei­chen Tage gab es Demons­tra­tio­nen ìn Chem­nitz gegen die Flücht­lings­po­li­tik der Bun­des­re­gie­rung von nor­ma­len Bür­gern[,] aber auch von Rechts­extre­mis­ten. Dabei kam es auch ver­ein­zelt zu Straf­ta­ten. Am fol­gen­den Tag und an den dar­auf­fol­gen­den Tagen stand nicht das Tötungs­de­likt im poli­ti­schen und media­len Inter­es­se, son­dern rechts­extre­mis­ti­sche Hetz­jag­den gegen Aus­län­der. Die­se »Hetz­jag­den« hat­ten nach Erkennt­nis­sen der loka­len Poli­zei, der Staats­an­walt­schaft, der Lokal­pres­se, des Minis­ter­prä­si­den­ten des Lan­des und mei­ner Mit­ar­bei­ter nicht statt­ge­fun­den. Sie waren frei erfunden.

Ich habe bereits viel an deut­scher Medi­en­ma­ni­pu­la­ti­on und rus­si­scher Des­in­for­ma­ti­on erlebt. Dass aber Poli­ti­ker und Medi­en[,] »Hetz­jag­den« frei erfin­den oder zumin­dest unge­prüft die­se Falsch­in­for­ma­ti­on ver­brei­ten, war für mich eine neue Qua­li­tät von Falsch­be­richt­erstat­tung in Deutsch­land. Ich hat­te mich in der dar­auf­fol­gen­den Woche gegen­über der »Bild-Zei­tung« in nur vier Sät­zen dazu geäu­ßert, [I]ndem ich klar­stell­te, dass es nach Erkennt­nis­sen aller zustän­di­gen Sicher­heits­be­hör­den kei­ne der­ar­ti­gen rechts­extre­mis­ti­schen »Hetz­jag­den« gab.

Gegen­über den zustän­di­gen Par­la­ments­aus­schüs­sen stell­te ich in der fol­gen­den Woche klar, dass ein Kampf gegen Rechts­extre­mis­mus es nicht recht­fer­tigt, rechts­extre­mis­ti­sche Straf­ta­ten zu erfin­den. Die Medi­en sowie grü­ne und lin­ke Poli­ti­ker, die sich durch mich bei ihrer Falsch­be­richt­erstat­tung ertappt fühl­ten, for­der­ten dar­auf­hin mei­ne Ent­las­sung. Aus mei­ner Sicht war dies für links­ra­di­ka­le Kräf­te in der SPD, die von vor­ne­her­ein dage­gen waren, eine Koali­ti­on mit der CDU/CSU ein­zu­ge­hen, der will­kom­me­ne Anlass, um einen Bruch die­ser Regie­rungs­ko­ali­ti­on zu pro­vo­zie­ren. Da ich in Deutsch­land als Kri­ti­ker einer idea­lis­ti­schen, nai­ven und lin­ken Aus­län­der- und Sicher­heits­po­li­tik bekannt bin, war dies für mei­ne poli­ti­schen Geg­ner und für eini­ge Medi­en auch ein Anlass, um mich aus mei­nem Amt zu drängen.

Auf­grund des schon erwähn­ten Beschlus­ses der drei Par­tei­vor­sit­zen­den wer­de ich mein Amt auf­ge­ben, sobald ein Nach­fol­ger bestimmt ist. Dies wird vor­aus­sicht­lich in den nächs­ten Wochen der Fall sein. Bun­des­in­nen­mi­nis­ter See­ho­fer, der mich und mei­ne Posi­ti­on in die­ser poli­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung sehr unter­stütz­te und dafür selbst viel Kri­tik von den Medi­en erfuhr, möch­te mich als sei­nen Bera­ter bei sich behal­ten. Ob und unter wel­chen Bedin­gun­gen dies statt­fin­den soll, wird im Ein­zel­nen in den nächs­ten Wochen geklärt wer­den müs­sen. Jeden­falls kann ich mir auch ein Leben außer­halb des Staats­diens­tes zum Bei­spiel in der Poli­tik oder in der Wirt­schaft vor­stel­len. Ich hät­te nie gedacht, dass die Angst vor mir und vor der Wahr­heit Tei­le der Poli­tik und Medi­en in sol­che Panik und Hys­te­rie ver­setzt, dass vier Sät­ze von mir aus­rei­chend sind, um eine Regie­rungs­kri­se in Deutsch­land aus­zu­lö­sen. [2]Das ist mein Lieb­lings­satz.

Lie­be Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, es fällt mir schwer, mich nach sechs Jah­ren von Ihnen zu ver­ab­schie­den. Ich habe die­sem Kreis sehr ger­ne ange­hört und habe in allen Sit­zun­gen und bei allen Gesprä­chen ein hohes Maß an Kol­le­gia­li­tät und an Soli­da­ri­tät fest­ge­stellt. Ich habe fest­ge­stellt dass wir die glei­chen Zie­le haben, die glei­chen Wer­te tei­len und gegen die glei­chen Geg­ner von Frei­heit und Demo­kra­tie kämp­fen. Ich bin der Auf­fas­sung, dass wir in den letz­ten sechs Jah­ren viel erreicht haben. Viel auch für die Sicher­heit mei­nes Lan­des. Ich habe in den letz­ten Jah­ren viel Unter­stüt­zung von ihnen erfah­ren bei der Lösung unse­rer natio­na­len Sicher­heits­pro­ble­me und ich habe mich immer bemüht, Sie auch bei Ihrer Arbeit zu unter­stüt­zen, damit Ihre Län­der und Euro­pa siche­rer werden.

Ich möch­te Ihnen für all das dan­ken. Dan­ken möch­te ich Ihnen auch für die vie­len per­sön­li­chen und freund­schaft­li­chen Momen­te, die ich erfah­ren durf­te. Ich wür­de mich sehr freu­en, auch nach die­ser Zeit mit manch einem von Ihnen per­sön­lich und pri­vat in Kon­takt blei­ben zu kön­nen. Zuletzt möch­te ich die Bit­te äußern, dass Sie mit mei­nem Nach­fol­ger die Zusam­men­ar­beit in gleich inten­si­ver Wei­se part­ner­schaft­lich fortsetzen.

Dan­ke für die Aufmerksamkeit!«

Nun mag sich ein jeder selbst ein Bild machen.

Ich selbst mich ja bereits des öfte­ren dazu geäu­ßert. Ansons­ten fin­de ich mich in die­sem Punkt in die­sem Kom­men­tar wieder.

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1 Quel­le: Tagesschau
2 Das ist mein Lieblingssatz.

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