Wo bleibt der Ruck?

Statt­des­sen gefal­len wir uns in Angst­sze­na­ri­en. Kaum eine neue Ent­de­ckung, bei der nicht zuerst nach den Risi­ken und Gefah­ren, kei­nes­wegs aber nach den Chan­cen gefragt wird. Kaum eine Anstren­gung zur Reform, die nicht sofort als »Anschlag auf den Sozi­al­staat« unter Ver­dacht gerät. Ob Kern­kraft, Gen­tech­nik oder Digi­ta­li­sie­rung: Wir lei­den dar­un­ter, dass die Dis­kus­sio­nen bei uns bis zur Unkennt­lich­keit ver­zerrt wer­den – teils ideo­lo­gi­siert, teils ein­fach »idio­ti­siert«. Sol­che Debat­ten füh­ren nicht mehr zu Ent­schei­dun­gen, son­dern sie mün­den in Ritua­le, die immer wie­der nach dem glei­chen Mus­ter ablaufen.

Wir strei­ten uns um die unwich­ti­gen Din­ge, um den wich­ti­gen nicht ins Auge sehen zu müssen.

Kön­nen unse­re Eli­ten über die dog­ma­ti­schen Schüt­zen­grä­ben hin­weg über­haupt noch Ent­schei­dun­gen tref­fen? Wer bestimmt über­haupt noch den Gang der Gesell­schaft: Die­je­ni­gen, die die demo­kra­ti­sche Legi­ti­ma­ti­on dazu haben, oder jene, denen es gelingt, die Öffent­lich­keit für ihr The­ma am bes­ten zu mobi­li­sie­ren? Inter­es­sen­ver­tre­tung ist sicher legi­tim. Aber erle­ben wir nicht immer wie­der, dass ein­zel­ne Grup­pen durch die kom­pro­miss­lo­se Ver­tei­di­gung ihrer Son­der­in­ter­es­sen längst über­fäl­li­ge Ent­schei­dun­gen blo­ckie­ren kön­nen? Ich mah­ne zu mehr Verantwortung!

Roman Her­zog, 1997

Manch­mal ist es ganz gut, schon einen län­ge­ren Zeit­raum zu über­bli­cken. Dann erin­nert man sich an Din­ge, die auf­hor­chen lie­ßen. Etwa die Ruck-Rede des frü­he­ren Bun­des­prä­si­den­ten Roman Her­zog.

Ziem­lich genau 25 Jah­re ist das her. Es lohnt sich, die Adlon-Rede noch­mals genau zu lesen. Erstaun­lich, wie vie­le Par­al­le­len sich zu heu­te fin­den. Eines ist anders: Das Land ist einem noch viel schlech­te­ren Zustand als damals.

Schreibe einen Kommentar