Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man drüber lachen.
Man muss nicht lange suchen, um Belege dafür zu finden, dass Zeitungen ein sterbendes Geschäftsmodell sind.
Nicht nur, dass sie sich lustvoll selbst kannibalisieren und einen großen Teil dessen, was teuer bezahlte Mitarbeiter produzieren, sei es nun gut oder schlecht, für lau von einer weniger gut bezahlten, oft extrem schlampig arbeitenden Trittbrettfahrertruppe ins Netz pumpen lassen. Nein, auch der Print-Rumpf in etlichen Verlagen tut allem Anschein nach alles dafür, sein Kerngeschäft zu ruinieren, indem die zahlende oder auch nicht zahlende Leserschaft für dumm verkauft und nach Kräften verarscht wird.
Da gibt es etwa in einer sich als führend verstehenden Tageszeitung, die ich kenne, eine Kolumne, die das Potenzial hätte, meinungsbildend zu sein. Eine Art virtuelles Streitgespräch, das interessant sein könnte – ja, wenn denn die Beiträge pro und kontra Substanz hätten oder wenigstens gut geschrieben wären.
Sind sie aber nicht. Stattdessen wird da jedes Wochenende versucht, am denkbar tiefsten Punkt, der sich an einem beliebigen deutschen Stammtisch zu fortgeschrittener Stunde nach etlichen Runden Schnaps und Bier finden lässt, noch eine Tiefenbohrung anzusetzen und hineinzuwursten. [1]Inzwischen haben die Verantwortlichen sich weiterentwickelt: https://kiebitz.mchlksr.de/journalismus/bielefelder-boulevard-fuer-arme/
Das ist inhaltlich wie stilistisch meist nur öde und banal, oft aber so dermaßen dümmlich, dass es wehtut und spontanes Fremdschämen einsetzt. Nichts gegen Polarisierung oder einen Schuss Polemik, doch die Kolumne schafft auf der nominell bei 10 endenden Imbezilitätsskala locker einen Wert von 28. Das kommt dabei heraus, wenn man intern offiziell die Parole »Vom Boulevard lernen!« ausgibt und das ursprünglich damit mal Gemeinte gründlich missversteht.
Und die Leser merken es. Da muss man sich nur mal deren Kommentare ansehen, die, nebenbei bemerkt, häufig weit mehr Witz und Tiefgang haben als das armselige Gestammel von Seim, Heil, Rinne und weiteren subalternen Griffelsklaven, auf das sie sich beziehen. Spätestens da müsste eigentlich jedem klar denkenden Menschen aufgehen, dass dies mit Lesergewinnung nichts zu tun hat. Es wird das genaue Gegenteil praktiziert, vorauseilende Selbstverstümmelung.
Da machen regelmäßig Leute unter sich, die egomäßig und von der Selbstwahrnehmung her »XXXL« tragen, denen journalistisch aber bestenfalls »S« knapp passt. Oder die außer ihrem klangvollen Doppelnamen oder einem unbedingten Karrierewillen gar nichts tragen.
Und: Fast können einem die jungen Kollegen leid tun, die sich da als Widerpart für die Maulfürze eines Chefredakteurs oder Ressortleiters hergeben – oder herhalten müssen. Andererseits: Einige scheinen es ganz gern zu tun.
In dem Zusammenhang ist ebenfalls interessant, wer aus dem scheinbar geschrumpften Autorenpool des Blattes in dieser deprimimierenden Kolumne *nicht* auftaucht. Nehmen wir mal an, dass bei manchen der Anstandsreflex noch halbwegs funktioniert. Kann aber auch sein, dass sie einfach zu träge sind. Wie auch immer.
Wer einen starken Magen hat, dem empfehle ich einen längeren Exkurs ins Archiv [2]Archivzugang ist inzwischen gekappt. Was einerseits gut und andererseits, aus Gründen der Generalprävention, schlecht ist- Stichworte zum Beispiel: Griechenland, Benzinpreis, Frauenfußball, Einkaufen … .
Und, wie gesagt, es lohnt sich, stets auch die Kommentare zu lesen. Oft genug auch nur die. Garantiert.
In diesem Sinne: Schönes Wochenende!
Anmerkungen