Kreis Lippe konzentriert klinische Versorgung in Detmold – Lemgo verliert Neurologie und Onkologie

Klinikum_Detmold_Haupteingang: Am Stand­ort Det­mold des Kli­ni­kums Lip­pe sol­len die Neu­ro­lo­gie und die Onko­lo­gie ange­sie­delt wer­den. FOTO: KLINIKUM LIPPE

Die Ent­schei­dung über die künf­ti­ge Kli­nik-Land­schaft im Kreis Lip­pe ist gefal­len. Nach Anga­ben des Krei­ses Lip­pe von heu­te abend ist klar: Lem­go wird zuguns­ten von Det­mold blu­ten müs­sen. In Lem­go ver­blei­ben eine Not­fall­ver­sor­gung und sta­tio­nä­re Fachkliniken.

Auf­sichts­rat und Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung des Kli­ni­kums Lip­pe haben ein­stim­mig eine Neu­aus­rich­tung der Stand­or­te Det­mold und Lem­go auf den Weg gebracht. Die­se sieht vor, zwei Fach­kli­ni­ken (Onko­lo­gie und Neu­ro­lo­gie) auf jeden Fall in die Resi­denz­stadt zu ver­la­gern. „Dadurch sprin­gen wir in Det­mold auf die höchs­te Qua­li­täts­stu­fe der Not­fall­ver­sor­gung und kön­nen außer­dem Onko­lo­gi­sches Spit­zen­zen­trum wer­den. Zwei immens wich­ti­ge Schrit­te, durch die wir eine deut­li­che Ver­bes­se­rung in der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung aller Lip­pe­rin­nen und Lip­per errei­chen“, freut sich Axel Leh­mann, Land­rat des Krei­ses Lip­pe und Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­der des Kli­ni­kums Lip­pe. Der Stand­ort Lem­go blei­be hin­ge­gen als Kran­ken­haus der Grund­ver­sor­gung mit einer Not­fall­ver­sor­gung sowie sta­tio­nä­ren Fach­kli­ni­ken erhal­ten – und werd außer­dem mit ambu­lan­ten Ange­bo­ten wei­ter­ent­wi­ckelt und gestärkt, so der SPD-Politiker.

„Ich bin sehr froh, dass es nach inten­si­ven und emo­tio­na­len Dis­kus­sio­nen einen brei­ten Kon­sens für die Neu­aus­rich­tung unse­res Kli­ni­kums gege­ben hat. Die­se ist drin­gend not­wen­dig, um in einer wirt­schaft­lich sehr schwie­ri­gen Zeit den Fort­be­stand unse­res Uni­kli­ni­kums und die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung aller Lip­pe­rin­nen und Lip­per sicher­zu­stel­len“, sagt Leh­mann. Dabei neh­me er auch das Land NRW in die Pflicht: „Das alles – vor allem den Wei­ter­be­trieb einer Not­fall­ver­sor­gung in Lem­go – kön­nen wir nur umset­zen, wenn das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um in Düs­sel­dorf zu sei­nem Wort steht und uns wie ver­spro­chen finan­zi­ell und regu­la­to­risch auf die­sem Weg unter­stützt. Das ist Vor­aus­set­zung für die Umset­zung der von den Gre­mi­en des Kli­ni­kums gefass­ten Beschlüsse.“

Not­fall­ver­sor­gung bleibt in Lemgo

Bei ihrer Ent­schei­dung über die künf­ti­ge Aus­rich­tung des Kli­ni­kums, haben sich der Mit­tei­lung des Krei­ses zufol­ge Auf­sichts­rat und Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung in Grund­zü­gen an den Vor­schlä­gen ori­en­tiert, die eine Unter­neh­mens­be­ra­tung der Geschäfts­füh­rung sowie den bei­den Gre­mi­en gemacht hat­te – mit drei wesent­li­chen Unterschieden:

  • Ers­tens: Mit ihrem Beschluss haben die Gre­mi­en des Kli­ni­kums zum einen den Umzug der Pneu­mo­lo­gie nach Det­mold auf den Weg gebracht – aller­dings unter Vor­be­halt. Im Jahr 2027 soll die­se Ent­schei­dung noch ein­mal über­prüft wer­den. Soll­te dabei her­aus­kom­men, dass eine Ver­la­ge­rung wirt­schaft­lich und medi­zin­stra­te­gisch doch nicht not­wen­dig ist, könn­te die Pneu­mo­lo­gie auch in Lem­go blei­ben.
     
    Fest beschlos­sen ist hin­ge­gen die Ver­la­ge­rung der Onko­lo­gie und der Neu­ro­lo­gie. „Dies ist nicht nur aus wirt­schaft­li­cher, son­dern auch aus medi­zi­ni­scher Sicht drin­gend not­wen­dig, da wir dadurch im Not­fall wei­te­re immens wich­ti­ge Abtei­lun­gen an einem Ort bün­deln. Dar­über hin­aus errei­chen wir so wie erwähnt die bes­te Stu­fe der Not­fall­ver­sor­gung – näm­lich Level 3. Der­zeit haben wir durch unse­re dezen­tra­le Auf­stel­lung hier Level 2“, erklärt Dr. Leh­mann. „Außer­dem wer­den wir dann die not­wen­di­gen Vor­aus­set­zun­gen für ein Onko­lo­gi­sches Spit­zen­zen­trum erfül­len. Dadurch kön­nen wir zukünf­tig Krebs­pa­ti­en­ten eine The­ra­pie auf höchs­tem Qua­li­täts­stan­dard anbie­ten“, ergänzt Dr. Johan­nes Hüt­te, Geschäfts­füh­rer des Kli­ni­kums Lip­pe.

    Damit Neu­ro­lo­gie und Onko­lo­gie (und auch die Pneu­mo­lo­gie) umzie­hen kön­nen, muss am Stand­ort Det­mold gebaut wer­den. Dafür wer­den die in Aus­sicht gestell­ten Finanz­hil­fen des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums benö­tigt. Zusätz­lich hat­te das Kli­ni­kum in Düs­sel­dorf bereits einen För­der­an­trag für Bau­maß­nah­men in Det­mold gestellt. In die­sem Zuge wür­de auch eine kom­plett neue, hoch­mo­der­ne Zen­tra­le Not­fall­ver­sor­gung und ein neu­es Dia­gnos­tik­zen­trum gebaut wer­den. Plä­ne dafür gibt es bereits seit gerau­mer Zeit.

  • Zwei­tens: Die ursprüng­lich eben­falls vor­ge­se­he­ne Ver­la­ge­rung der Tho­ra­x­chir­ur­gie und der Gefäß­chir­ur­gie nach Det­mold wird hin­ge­gen noch ein­mal genau­er bis Janu­ar 2025 unter per­so­nel­len, wirt­schaft­li­chen und medi­zi­ni­schen Gesichts­punk­ten beleuch­tet. Danach wird über einen mög­li­chen Umzug nach Det­mold ent­schie­den. In die­sem Fall wäre eine All­ge­mei­ne Chir­ur­gie in Lem­go einzurichten.

  • Drit­tens: In Lem­go soll es wei­ter­hin eine Not­fall­ver­sor­gung geben. Die­se war auf­grund des all­ge­mein im medi­zi­ni­schen Bereich herr­schen­den Per­so­nal­man­gels sowie aus Kos­ten­grün­den eigent­lich nicht mehr am Stand­ort Lem­go vor­ge­se­hen. Dar­auf­hin hat­te das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um sich aller­dings dafür aus­ge­spro­chen, in der Alten Han­se­stadt auch wei­ter­hin eine Not­fall­ver­sor­gung zu betreiben.

Damit vor allem Letz­te­res gelin­gen kön­ne, habe Düs­sel­dorf zum einen Inves­ti­ti­ons­kos­ten­zu­schüs­se in zwei­stel­li­ger Mil­lio­nen­hö­he in Aus­sicht gestellt. Zum ande­ren hat­te das Minis­te­ri­um zuge­sagt, Lem­go und Det­mold in Zukunft als einen gemein­sa­men Kli­nik­stand­ort betrach­ten zu wol­len. Eine für das Kli­ni­kum Lip­pe immens wich­ti­ge For­ma­lie, die bei­spiels­wei­se eine wesent­lich höhe­re Fle­xi­bi­li­tät bei der Per­so­nal­pla­nung ermög­li­chen wür­de (Stich­wort Personalmangel).

„Ich hät­te mir grund­sätz­lich zwar noch weit­rei­chen­de­re Beschlüs­se vor­stel­len kön­nen – vor allem auch, damit die Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter des Kli­ni­kums Lip­pe mehr Pla­nungs­si­cher­heit haben, wie es nun wei­ter­geht. Die nun getrof­fe­nen Ent­schei­dun­gen sind aber die, die mit brei­tem Kon­sens mög­lich waren – und die Rich­tung stimmt. Bei die­sem für die Lip­pe­rin­nen und Lip­per immens wich­ti­gen The­ma müs­sen wir gemein­sam an einem Strang zie­hen. Daher erwar­te ich auch von den Land­rats­ab­ge­ord­ne­ten aus Lip­pe, uns auf die­sem Weg zu unter­stüt­zen und die Lan­des­re­gie­rung in Düs­sel­dorf an ihre Zusa­gen zu erin­nern“, stellt Leh­mann klar.

Klinikum_Lemgo: Der Stand­ort Lem­go des Kli­ni­kums Lip­pe soll als Kran­ken­haus der Grund­ver­sor­gung mit sta­tio­nä­ren Fach­kli­ni­ken erhal­ten und mit ambu­lan­ten Ange­bo­ten wei­ter­ent­wi­ckelt wer­den. FOTO: KLINIKUM LIPPE

So soll sich das Kli­ni­kum Lip­pe entwickeln:

  • Det­mold: Bis 2030 sol­len suk­zes­si­ve die Neu­ro­lo­gie und die Onko­lo­gie von Lem­go nach Det­mold ver­la­gert wer­den. Auch die Pneu­mo­lo­gie soll in Det­mold ange­sie­delt wer­den. Aller­dings wird die­se Ent­schei­dung 2027 noch ein­mal über­prüft. Unab­hän­gig davon müs­sen in Det­mold erst ein­mal die Bag­ger anrol­len, um räum­lich die Kapa­zi­tä­ten für zusätz­li­che sta­tio­nä­re Abtei­lun­gen zu schaf­fen. Auch dafür wer­den die in Aus­sicht gestell­ten Finanz­hil­fen des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums benö­tigt. Zusätz­lich hat­te das Kli­ni­kum in Düs­sel­dorf bereits einen För­der­an­trag für Bau­maß­nah­men in Det­mold gestellt.
  • Lem­go: Der Stand­ort Lem­go wür­de sich hin­ge­gen zu einem Kran­ken­haus der Grund­ver­sor­gung mit Not­fall­ver­sor­gung, sta­tio­nä­ren Fach­kli­ni­ken sowie ambu­lan­ten Ange­bo­ten wei­ter­ent­wi­ckeln. Kon­kret wür­den in Lem­go sta­tio­när verbleiben:

    • All­ge­mei­ne Inne­re Medizin,
    • eine All­ge­mei­ne Chir­ur­gie (neu auf­ge­baut oder bestehend aus Tho­ra­x­chir­ur­gie und Gefäßchirurgie),
    • eine Inten­siv­me­di­zin,
    • eine Not­fall­grund­ver­sor­gung,
    • die Ger­ia­trie,
    • die Nukle­ar­me­di­zin,
    • die Radio­lo­gie,
    • die „Weaning“-Abteilung (Beatmungs­ent­wöh­nung),
    • das Labor
    • und die Krankenhausapotheke.

Ergänzt wird das Gan­ze mit ambu­lan­ten oder sek­toren­über­grei­fen­den Ange­bo­ten. Wel­che genau in Lem­go ent­ste­hen könn­ten, muss erst noch genau­er geprüft wer­den. Denk­bar sind Hoch­schul­am­bu­lan­zen (als Uni­kli­ni­kum darf das Kli­ni­kum Lip­pe in sei­nen uni­ver­si­tä­ren Fel­dern wie Uro­lo­gie, Kar­dio­lo­gie oder Gynä­ko­lo­gie ambu­lan­te Fach­arzt­ter­mi­ne für die Bevöl­ke­rung anbie­ten – ein gro­ßer Vor­teil gegen­über nor­ma­len Kran­ken­häu­sern), eine Pfle­ge­schu­le oder in Abspra­che mit der Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gung und der Stadt Lem­go ein­zu­rich­ten­de Haus­arzt­pra­xen (als Ärz­te­haus oder MVZ).

  • Kurz­fris­ti­ge Prü­fung: Ver­la­ge­rung der Tho­ra­x­chir­ur­gie und der Gefäß­chir­ur­gie wird unter wirt­schaft­li­chen, per­so­nel­len und medi­zi­ni­schen Gesichts­punk­ten noch ein­mal bis Janu­ar 2025 genau­er untersucht.

Hin­ter­grund: Dar­um ist die Neu­aus­rich­tung des Kli­ni­kums Lip­pe notwendig

Die per­so­nel­le und finan­zi­el­le Situa­ti­on der Kran­ken­häu­ser sei bun­des­weit exis­tenz­be­dro­hend. All­ge­mein herr­sche ein gro­ßer Fach­kräf­te­man­gel im medi­zi­ni­schen und im pfle­ge­ri­schen Bereich, heißt es in der Mit­tei­lung des Krei­ses Lip­pe. Dop­pel­struk­tu­ren und Per­so­nal für zwei Stand­or­te vor­zu­hal­ten, sei eine enor­me Her­aus­for­de­rung. Das füh­re dazu, dass es bei­spiels­wei­se am Stand­ort Lem­go schon heu­te nicht genü­gend Anäs­the­sis­ten gebe. Die­se Her­aus­for­de­rung wer­de das Kli­ni­kum Lip­pe durch den Erhalt einer Not­fall­ver­sor­gung in Lem­go wei­ter meis­tern müssen.

Hin­zu kom­me, dass die Kos­ten deut­lich stär­ker ange­stie­gen sei­en als die Erlö­se – die­se Sche­re gehe immer wei­ter aus­ein­an­der (zuletzt lag die Dif­fe­renz-Span­ne bei 42 Pro­zent). 80 Pro­zent der Kran­ken­häu­ser in Deutsch­land mach­ten teils hohe Ver­lus­te. Auch das Kli­ni­kum Lip­pe gehö­re dazu, das bis 2022 noch schwar­ze Zah­len geschrie­ben hat­te. Das habe Fol­gen: 40 Kli­ni­ken muss­ten 2023 bereits Insol­venz anmel­den – zwei davon in unmit­tel­ba­rer Nähe in Pader­born und in Holz­min­den. Letz­te­re gebe es inzwi­schen nicht mehr. In die­sem Jahr werd sogar mit 80 Kli­nik-Insol­ven­zen gerech­net. Hier dür­fe das Kli­ni­kum Lip­pe nicht dazu­ge­hö­ren, wes­halb eine Neu­aus­rich­tung not­wen­dig sei. Dadurch sol­le das Kli­ni­kum in die Lage ver­setzt wer­den, mit­tel­fris­tig wie­der ohne Liqui­di­täts­hil­fen des Krei­ses Lip­pe aus­zu­kom­men. Dau­er­haft sei das nicht zu leisten.

Auch aus die­sen Grün­den streb­ten Bund und Land umfang­rei­che Kli­nik­re­for­men an, die vor Ort umge­setzt wer­den müss­ten. Die Refor­men – die grund­sätz­lich eine Kon­zen­tra­ti­on und Bün­de­lung von Ange­bo­ten und Leis­tun­gen vor­se­hen – soll­ten trotz schwie­ri­ger per­so­nel­ler und finan­zi­el­ler Rah­men­be­din­gun­gen am Ende zu einer höhe­ren Qua­li­tät in der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung füh­ren. Dabei sei Wohn­ort­nä­he nicht das ent­schei­den­de Kri­te­ri­um, son­dern die best­mög­li­che Behand­lung der Men­schen an Stand­or­ten, die mög­lichst vie­le medi­zi­ni­sche Dis­zi­pli­nen und Fel­der abde­cken und beherr­schen (hohe Fall­zah­len und medi­zi­ni­sche Ausstattung).

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