Der Bundesgesundheitsminister lässt sich ja gerade feiern für den Schub zur Digitalisierung im Gesundheitswesen. [1]Das Kabinett hat vor knapp zwei Wochen die Entwürfe eines „Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ (Digital-Gesetz – DigiG) sowie eines „Gesetzes zur … Weiterlesen …
Nun wird niemand, der bei klarem Verstand ist, den Nutzen digitaler Lösungen grundsätzlich in Zweifel ziehen. Aber es gibt erhebliche Risiken und Nebenwirkungen. Darüber sollte Karl Lauterbach vielleicht mal mehr mit Praktikern reden. Nicht nur in großen Strukturen.
Bei meiner Hausärztin durfte ich neulich miterleben, wie der Praxisbetrieb kollabierte. Der Grund: Der neue Kartenleser für Kassenpatienten war durch Fehlkonfiguration unbrauchbar. Da ging nichts mehr.
Sage mir niemand, das könne sich nicht jederzeit wiederholen.
Heute habe ich mit einer medizinischen Fußpflegerin gesprochen. Das hat mir auch die Augen geöffnet. Sie blickt nicht nur mit Sorge auf das Jahr 2026, in dem sie und ihre Praxis zwangsdigitalisiert wird. Das fällt schon in die Kategorie Zukunftsangst.
Ich finde das bedrückend.
Da geht es nicht mal so sehr um die zusätzlichen Kosten, die es natürlich auch gibt. Eher um die Fragen: Wann soll ich noch meine eigentliche Arbeit für die Patienten tun? Was, wenn die Technik versagt? Von Computern verstehe ich gar nichts. Ist der Datenschutz wirklich gewährleistet? Sitze ich bald mehr am PC als beim Patienten? Und und und … [2]Die gleichen Fragen stellen sich viele ihrer Podologiekolleginnen – und andere medizinische Dienstleister.
Die Kassenzulassung zurückzugeben, ist für sie eine ernsthafte Option. Das bedeutet im Klartext: Viele ihrer alten Patienten werden künftig unversorgt bleiben. Ein Wechsel scheidet mangels Alternativen gerade im ländlichen Raum schlicht aus. Darüber muss man sich im Klaren sein.
Die Versorgung wird also, anders als man im Berliner Wolkenkuckucksheim glaubt, nicht verbessert, sondern zweifellos verschlechtert.
Ist das das Ziel der Digitalisierungsoffensive im Gesundheitswesen?
Nachtrag 13. September
Und kaum habe ich es geschrieben, lese ich dies:
Ärzte zur Praxis-IT: Technikversagen erreicht »versorgungsgefährdendes Niveau«
»Vielen der Verantwortlichen scheint auch schlichtweg nicht klar zu sein, was es für eine Versorgerpraxis bedeutet, wenn montags der Konnektor nicht funktioniert. Das kostet enormen viel Zeit, die für die Versorgung der Patientinnen und Patienten fehlt.«
Hausärzteverband
Anmerkungen
↑1 | Das Kabinett hat vor knapp zwei Wochen die Entwürfe eines „Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ (Digital-Gesetz – DigiG) sowie eines „Gesetzes zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten“ (Gesundheitsdatennutzungsgesetz – GDNG) beschlossen. Ziel ist, mit digitalen Lösungen den Versorgungsalltag und die Forschungsmöglichkeiten in Deutschland zu verbessern. |
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↑2 | Die gleichen Fragen stellen sich viele ihrer Podologiekolleginnen – und andere medizinische Dienstleister. |