»… das selbsterhöhende Pathos leidgetränkter Schicksale, eine erlogene Dornenkrone, ein Narrativ ohne jedwede reale Substanz.«
Holocaust-Biografie als Online-Märchen
Schlimm, richtig schlimm, was Martin Doerry vom Spiegel da ausgegraben hat. Und eine Beleidigung für alle NS-Opfer und deren Angehörige. Und das von einer promovierten Historikerin. [1]Publizistischer Betrug[2]Ich bin sicher, da sieht sich jemand ihre Doktorarbeit schon sehr genau an…
Da zitiere ich doch gerne die Kostümjüdin Marie Sophie Hingst. [3]Dunkle Briefe, aus 2018. Schon da wurde sie von einer Blogleserin als Lügnerin bezeichnet, glaubte aber, das ablaufen lassen zu können.[4]Hier das Gleiche aus dem Google-Cache, mit Reproduktion der Leserinnen-Kritik und auch 34 heute nur noch peinlichen von ca. 200 Fan-Kommentaren. Hingst hat ihre »Würdigung« der Zuschrift unter … Weiterlesen …
»Die jüdische Erfahrung sagt: die Lüge und die Verleumdung ist niemals Spaß, sondern immer bitterer Ernst.«
Stimmt auffallend.
Die Vorzeige-Bloggerin Marie Sophie Hingst im Video. Sie war beim Preis »Die Goldenen Blogger« zur Bloggerin des Jahres 2017 gekürt worden. Der Preis ist der Fälscherin jetzt aberkannt worden.
Es gibt Hinweise, dass die Gold-Blogger schon 2018 wussten/hätten wissen können, wen sie da geehrt haben. Fragt sich natürlich, warum sie nicht schon damals reagiert haben – falls sich die Frau, die sich seinerzeit zunächst direkt an Hingst wandte, tatsächlich bei den Goldenen Bloggern gemeldet hat. [5]https://readonmydear.com/2018/01/16/dunkle-briefe/+&cd=1&hl=en&ct=clnk&gl=de&client=firefox-b‑d«>Faksimile von ReadOnMyDear bei Google-Cache
Es war wohl wieder mal nicht Gold,[6]Narrengold was glänzt.
»So sitzt man dann da mit dem Schreiben der Lügnerin, die einen selber Lügnerin heißt und das ist das perfide an den Lügnern in allen Formen und Farben: ihr schleichendes Gift, ihre stolz vorgetragenen Behauptungen, ihre Schamlosigkeit über ein fremdes Leben herzufallen, sich als Retter der Wahrheit zu inszenieren, denn die Lügner wissen schon was sie tun und wissen auch: immer bliebt irgendetwas kleben.« Marie Sophie Hingst
Es wäre hilfreich, wenn die Frau – stammt sie tatsächlich aus Göteborg? – sich melden würde. Gerne auch bei mir. Selbstverständlich sichere ich ihr Informantenschutz zu.
Ich finde keine Worte dafür – oder sie sind nicht zitierfähig – , wie Hingst mit dem bei Lichte besehen ja noch sehr wohlwollenden Hinweis einer Blogleserin umgeht, dass mit ihren Geschichten etwas nicht stimmen kann. Und es ist ja erst die Möchtegern-Jüdin Hingst, die ihn öffentlich macht – um dann ihre Leserschaft anzustacheln und aufzuhetzen. [7]Im Grunde hat die angebliche Denunziantin Hingst ja eine goldene Brücke gebaut. Sie hätte nur drüber gehen müssen – und die Geschichte hätte möglicherweise ein gesichtswahrendes Ende gefunden.
Was auch erwartungsgemäß gelingt. Es wird einem übel, wenn man die speichelleckerischen Kommentare von »daskleinebruellen« oder »Ute Plass« (haufenweise Fundstellen im Netz) oder »Anna« oder »Clara Pippilotta« liest, deren AutorInnen a) Hingst in den Arsch kriechen und b) die Hinweisgeberin verunglimpfen, die sich – laut Hingst – per Facebook an Hingst gewandt hatte. [8]Sie sind noch im Google-Cache zu finden. Und wurden auch gesichert.
Kostprobe gefällig?
daskleinebruellen says:
Januar 16, 2018 at 6:25 pm
Mich widert das so sehr an, ich kann es nicht in Worte fassen. Und ich kann es nachvollziehen, dass solche Briefe und Kommentare leider einen viel längeren Nachhall haben, als all die lieben, witzigen, nachdenklichen, vielleicht ja auch kritische, aber eben: respektvollen Kommentare.
Sehr schön auch der Beitrag von arboretum:
arboretum says:
Januar 16, 2018 at 9:58 pm
Erinnern Sie sich noch an die Sache mit der „schlechtgef*ckten Brotspinne“?
Die Bezeichnung fiel mir heute plötzlich wieder ein, als ich von dieser Person las. Weiblichen Geschlechts wird sie wohl sein, eine Dame indes ganz bestimmt nicht.
Hingst lässt sich nicht lange bitten und antwortet:
Read on says:
Januar 17, 2018 at 8:05 am
Brotspinne! Auf jeden Fall ist deutliche Ähnlichkeit mit einer Natter unverkennbar.
Manche glauben sich offenbar auf der sicheren Seite und lassen – unter Verlinkung auf das eigene Blog – die Sau raus:
diefarbeev says:
Januar 16, 2018 at 7:28 pm
So eine dreiste, widerliche, erbärmliche Schmierfinkin (wenn sie denn eine ist), die sich anmaßt im Namen Dritter oder gar für sie zu schreiben
Da ist der »Theologe, Ingenieur, Lehrer, Vater, Katholik, Lernende« (Franz über Franz), der meint, festhalten zu müssen:
Ich glaube nicht, dass die Schreiberin dieses Briefs nachvollziehen kann, wie sehr Suppe Leib und Seele wärmen können. Und ich glaube nicht, dass sie über den Jesuiten-Vergleich schallend lachen kann. Manche Menschen sind eben ziemlich unerlöst…
Hingst dazu postwendend:
Ich danke von Herzen für Ihren Kommentar. Nein, Lügner haben keinen Humor, keine Zweifel, sondern sitzen in einem dunklen Zimmer voller Lügen und Boshaftigkeit.
Bemerkenswert und herausragend auch – selbst in der enormen Menge bestürzender Beiträge von kritiklosen Sekundanten – ist die Einschätzung eines Berliner Magister Artium.
Seine Wortmeldung (gekürzt):
»Das Fräulein Read On kenne ich seit über 10 Jahren. Sie ist so echt und authentisch wie ein Mensch nur sein kann. Alle ihre Geschichten beruhen auf ihren eigenen Erlebnissen und Erfahrungen. Von der jüdischen Großmutter in der DDR bis hin zur Aufklärungsarbeit mit den Geflüchteten. Und ja: auch mir und unseren gemeinsamen Freunden rauben ihr nie enden wollender Aktionismus und ihr Füllhorn an Talenten regelmäßig den Atem.«
Da geifert »Bettina« und unterstellt der Briefschreiberin antisemitische Motive:
Sind Ihre Verdrehungen der Aussagen der Artikel von Fräulein Read On schon widerwärtig genug, wird es wirklich ekelhaft, wenn Sie suggerieren Fräulein Read On würde eine jüdische Identität erfinden und damit sozusagen allen Holocaust Überlebenden schaden. So wie jeder Rassist und jeder Antisemit einen guten jüdischen oder schwarzen Freund hat, der dann als Alibi für die doch einwandfreie Gesinnung herhalten muss, geben Sie jetzt vor Holocaust Überlebende zu kennen, und instrumentalisieren die für Ihre antisemitischen Zwecke. Das muss man erstmal machen, und dann auch noch unter dem Deckmäntelchen des wohlmeinenden Rats, nicht die eigene Zukunft zu gefährden. Mein Wissen darüber, in welchen Formen Antisemitismus daherkommt, hätten Sie damit um eine wirklich ekelhafte Variante bereichert, ich kann es nicht anders nennen.
Viele setzen nicht nur ihre Namen über diese in der Rückschau unfassbaren Beiträge. Sie fügen auch Links zu eigenen Blogs hinzu, so dass man auch jetzt noch einen recht guten Einblick in ihre »Gedankenwelt« erhält. Sich mit der Star-Bloggerin eins zu fühlen, lässt sie jede Vorsicht und Selbstachtung vergessen.
Ich kann nur hoffen, dass diese Leute sich einen letzten Rest Anstand bewahrt haben und sich in Grund und Boden schämen.
Unter all den unterirdischen Kommentaren, die Hingst selbst in diesem Gesprächsfaden als Antworten veröffentlicht hat, sticht einer – in Erwiderung einer Fanpost von »daskleinebruellen« besonders heraus:
»Mich auch. Ich finde das so widerwärtig und ekelhaft. Diese schleimigen in Bonbonpapier verpackten Drohungen, das Detektiv-Spielen und großkotzige Prahlen mit „Erkenntnissen.“ Lügner sind kalte, bösartige Menschen, die sich von Drohungen, Erpressungen und immer neuen Lügen ernähren.«
Ja, dieses Ausmaß an zynischer Dreistigkeit muss man erst mal sacken lassen.
Hingst will auch schon als 19-Jährige eine Slum-Klinik in Neu-Delhi gegründet und dort Sexualaufklärung für indische Männer angeboten haben. Sie beschreibt darüber hinaus blumig in Gastbeiträgen für mehrere Online-Medien ihre vermeintlichen Erfahrungen bei der Sexualaufklärung von Geflüchteten in einer »deutschen Kleinstadt«. War wahrscheinlich Münchhausen. [9]Das Problem mit dem Penis. In elf Sprachen.
Der Deutschlandfunk konnte – wie andere Redaktionen – beim Reizwort »Penis« nicht widerstehen. Und gab sich richtig Mühe mit der Illustration der Lügengeschichte.[10]Kokosöl, hihi! Man hört sie kichern.
Der Text ist nunmehr mit einem lauwarmen Disclaimer versehen worden.
Heute fand ich dann mehr oder weniger zufällig dies beim DLF-Onlineauftritt:
Irgendwer täuscht irgendwen wegen irgendwas…
Noch spitzere Finger haben sich beim ebenfalls betroffenen Deutschlandfunk [11]Macht Kokosöl meinen Penis länger? wohl nicht finden lassen, oder? Und noch besser verstecken und verschleiern ließ sich heute der DLF-Beitrag in eigener Sache wohl auch nicht, wie?
Versagen auf ganzer Linie schon vor zwei Jahren auch bei Zeit Online.
Im Fall der angeblichen indischen Slum-Klinik wird es noch verrückter. Da formulieren Nutzer, die nicht eben durchgeknallt wirken wie so viele andere in den Foren, schwerste, nachvollziehbare Bedenken – und man lässt sie bei Zeit Online stumpf vor den Schrubber laufen. Geht’s noch??
Natürlich gehören auch zu diesem himmelschreienden Betrug immer (mindestens) zwei. Eine, die betrügt, und einer (oder mehrere), der betrogen werden will. Bei Zeit Online etwa gab es früh dezidierte Hinweise zu einem Text von »Sophie Rozenblatt« (Hingst), denen man nur hätte nachgehen müssen. Stattdessen wurden sie abgebügelt und als »Unterstellungen« unter den Teppich gekehrt.
Auch Frau Hingst glaubte sich wohl noch sicher und teilte kräftig aus – in einer für eine Akademikerin und Publizistin merkwürdig schiefen, vor Fehlern strotzenden Sprache, nebenbei bemerkt.
Dabei bediente sie sich ihres jüdisch klingenden Pseudonyms Sophie Roznblatt.
Und das war nicht das einzige Versagen der Zeit-Onliner. Mehr dazu findet sich hier.
Die FAZ hat sich ebenfalls gerne leimen lassen.
Laut Spiegel täuschte Hingst mit dem SWR und dem BR auch Hörfunkprogramme der ARD. Während der BR dazu eine Stellungnahme veröffentlicht hat, hofft der SWR offensichtlich, dass sich das Thema im wahrsten Sinne des Wortes irgendwann versendet, und schweigt sein redaktionelles Versagen bis auf eine naturgemäß volatile Erwähnung im laufenden Programm lieber tot.
Es ist offensichtlich, dass es sich bei Online-»Journalismus« zu großen Teilen um völlig verkommene Klicks-Gewinnlerei handelt. Was PIs und Visits verspricht, wird rausgehauen.
Ganz im Sinne der alten Boulevard-Traum-Zeile »Deutscher Schäferhund leckt Inge Meysel Brustkrebs weg«. [12]Redakteurs-Witz mit viel Bart. Damals war das wirklich nur ein Joke. Heute würde ich dafür nicht mehr meine Hand ins Feuer legen.
Ob der Scheiß stimmt oder nicht, ist nachrangig. Das klingt dann später, wenn die Chose irgendwann aufgeflogen ist, natürlich völlig anders. So zum Beispiel (FAZ): »Die Recherchen gaben keinerlei Anlass, an ihrer Erzählung zu zweifeln.«
Recherchen?
Dieser Fall ist meines Erachtens noch schlimmer als der des Claas Relotius. Der war immerhin Kollege im eigenen Haus, dem man eine solche Hinterfotzigkeit selbstredend nicht so leicht zutraut. Aber dass Redaktionen und deren Hilfstruppen (»Moderatorenteam«) bei irgendeiner externen Bloggerin nicht genauer hinsehen, obwohl sie gewarnt sind, ist wirklich haarsträubend. Und vielsagend.
So langsam wird das Schönreden von journalistischem Versagen zur peinlichen Routine.
Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.
Jüdische Allgemeine: So koscher wie Schweinskopfsülze
Märkische Allgemeine
Anke Gröner
Archivalia I
Archivalia II
University Times
Haaretz
Tagesanzeiger
Deutsche Welle
Rechtfertigung der Zeit
Stellungnahme des BR
Anmerkungen
↑1 | Publizistischer Betrug |
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↑2 | Ich bin sicher, da sieht sich jemand ihre Doktorarbeit schon sehr genau an… |
↑3 | Dunkle Briefe, aus 2018. Schon da wurde sie von einer Blogleserin als Lügnerin bezeichnet, glaubte aber, das ablaufen lassen zu können. |
↑4 | Hier das Gleiche https://readonmydear.com/2018/01/16/dunkle-briefe/+&cd=1&hl=en&ct=clnk&gl=de&client=firefox-b‑d«>aus dem Google-Cache, mit Reproduktion der Leserinnen-Kritik und auch 34 heute nur noch peinlichen von ca. 200 Fan-Kommentaren. Hingst hat ihre »Würdigung« der Zuschrift unter »Drohbriefe«, »Denunziation« und »Lügen« abgelegt. |
↑5 | https://readonmydear.com/2018/01/16/dunkle-briefe/+&cd=1&hl=en&ct=clnk&gl=de&client=firefox-b‑d«>Faksimile von ReadOnMyDear bei Google-Cache |
↑6 | Narrengold |
↑7 | Im Grunde hat die angebliche Denunziantin Hingst ja eine goldene Brücke gebaut. Sie hätte nur drüber gehen müssen – und die Geschichte hätte möglicherweise ein gesichtswahrendes Ende gefunden. |
↑8 | Sie sind noch im Google-Cache zu finden. Und wurden auch gesichert. |
↑9 | Das Problem mit dem Penis. In elf Sprachen. |
↑10 | Kokosöl, hihi! Man hört sie kichern. |
↑11 | Macht Kokosöl meinen Penis länger? |
↑12 | Redakteurs-Witz mit viel Bart. Damals war das wirklich nur ein Joke. Heute würde ich dafür nicht mehr meine Hand ins Feuer legen. |
Als Außenstehender haben Sie im Nachgang der Geschichte leicht reden. Bei wie vielen Menschen aus ihrem persönlichen Umfeld können Sie alle Lebenszusammenhänge bis auf den letzten Punkt belegen. Sophie hat die ihr vorgeworfenen Lügen in Folge ihrer Krankheit gelebt und erschien ihrem Umfeld daher stets authentisch. Dass es mir unmöglich war hinter den Vorhang ihrer Scheinwelt zu sehen und ich ihr daher nicht rechtzeitig helfen konnte, wird mich den Rest meines Lebens verfolgen. Meine Strafe dafür ist, dass ein wundervoller Mensch, den ich sehr geliebt habe, nun nicht mehr da ist. Und glauben sie mir: das ist die schlimmste Strafe überhaupt.
Der »Magister Artium«, der in Wahrheit ein »Master of Arts« ist – ein Umstand zu dessen Feststellung Ihre journalistischen Fähigkeiten wohl nicht mehr gereicht haben.
Sie haben offenbar nicht realisiert, dass es in meinem Text zwar auch um Frau Hingst geht, aber mindestens ebenso sehr um ihr mediales und sonstiges Umfeld. In dem kommen Sie halt auch einmal vor. Mehr nicht. Dass Ihnen das im Nachhinein peinlich ist, kann ich ja nachvollziehen. Ihr Selbstmitleid rührt mich zu Tränen. Und: Ob Sie sich nun Master of Arts oder Magister Artium nennen, ist in dem Zusammenhang völig egeal. Sie haben kein Latinum, oder?
Mir ist in diesem Zusammenhang absolut nichts peinlich. Natürlich bereue ich, dass ich Sophies psychische Probleme nicht erkannt habe. Vor allem jedoch, weil ich dadurch keine Möglichkeit hatte ihr zu helfen. Schade, dass der Verfasser dieses Artikels Sophie nicht persönlich kannte. Er hätte die Situation natürlich sofort durchschaut und alles wäre am Ende gut ausgegangen. Könnten die Allwissenden doch nur überall sein …
»Mir ist in diesem Zusammenhang absolut nichts peinlich.«
LOL. Ich habe nichts anderes erwartet.
Aber ist es nicht extrem unwissenschaftlich, nicht dazuzulernen?
Vor allem, wenn man angeblich im Wissenschafts-Management arbeitet?