In der Frage, wo alles weitere Industriewindanlagen errichtet werden dürfen, droht neues Ungemach. Dafür soll nach Informationen des Pivit das Habeck-Ministerium gesorgt haben.
Offenbar unter dem Einfluss des Bundesverbands Windenergie sind Paragraphen in ein Artikelgesetz eingeflossen, das eigentlich der Erleichterung des Mietwohnungsbaus dienen sollte. Danach wären plötzlich alle Altanträge, auch die nach Bundesimmissionsschutz-Gesetz (BImschG) »privilegiert«. Also etwa diejenigen, die in der Region gerade für Empörung sorgen. Regionalpolitiker und Naturschützer hegen aber die Hoffnung, dass der Regierungsvorschlag so nicht durchs Parlament kommt.
Eine Stellungnahme ist an die Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag gegangen. Sie werden gebeten, den sich eröffnenden »Optionen hemmungsloser Gewinnmaximierung auf Kosten der Allgemeinheit« einen Riegel vorzuschieben.
Der Pivit dokumentiert hier den Wortlaut des Schreibens an einen ziemlich großen Verteiler mit dem Betreff »Baugesetzbuch-Novelle „Gesetz zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung“- Hier: Privilegierung von Altanträgen Windkraftanlagen §245e (Ziffer 62) und § 249 (Ziffer 69) BauGB streichen«.[1]Liest sich insgesamt an etlichen Stellen so, als habe da jemand seit längerem aufmerksam den Pivit gelesen, allerdings ohne das irgendwo offenzulegen. Ist notiert.
»Zur Umsetzung des „Wind-an-Land-Gesetzes“ der Bundesregierung befindet sich die regionalplanerische Ausweisung von Windkraft-Vorranggebieten auf 1,8% der Fläche in unserer Region kurz vor der Beschlussfassung durch den Regionalrat. Diese Regionalplanänderung „Wind“ hat dem Naturschutz einerseits schmerzhafte Kompromisse abverlangt, andererseits sollte allen Menschen in unserem Land klar sein, dass unsere Lebens- und Überlebensgrundlagen, sowie die von Tier- und Pflanzenarten auch von einer Begrenzung des Klimawandels abhängig sind. Um die erheblichen Wissensdefizite zur Beurteilung der Artenschutzsituation in den geplanten Windenergie-Vorrangflächen auszugleichen haben die Naturschutzverbände in OWL auf eigene Kosten ein Gutachten in Auftrag gegeben, in dem aus ca. 24000 private Beobachtungsdaten von 8 windkraftsensiblen Vogelarten Dichtezentren ermittelt wurden, um mögliche Konfliktzonen mit neu auszuweisenden Windenergievorranggebieten auszusparen. Dies ist auch z.T. von der Regionalplanung für den Beschlussentwurf umgesetzt worden.
Im Vertrauen darauf, dass mit Ausweisung der zukünftigen „Go-To-Gebiete“ für Windkraftanlagen (WEA) die ökosystemkritischen Eingriffe zur Erfüllung der Ausbauziele erfolgt sein werden, führt die aktuelle Entwicklung leider zu einem eklatanten Akzeptanzverlust in weiteren Teilen der im Naturschutzes Engagierten, wie auch in der gesamten Bevölkerung: ausgelöst durch ein Urteil des OVG Münster zu einer einzigen WEA im Kreis Soest, deren unzureichende Begründung durch die Bezirksregierung Arnsberg für den Aufschub der Genehmigung dem OVG Anlass gab auch an der Rechtmäßigkeit des § 36 (3) Landesplanungsgesetz NRW zu zweifeln (Urteilsbegründung liegt bei, pers.Daten geschwärzt), werden jetzt im ganzen Land NRW in großem Stil Anträge auf Errichtung von WEA nach BImschG außerhalb der im Regionalplanungsprozess befindlichen Vorranggebiete gestellt. Nach wie vor beabsichtigt das MWIKE den § 36 (3) LplG zum Aufschub von WEA-Genehmigungen anwenden zu lassen. Jedoch kann durch die im parlamentarischen Beratungsprozess befindliche Baugesetzbuch-Novelle eine Situation entstehen, die durch eine Privilegierung von Altanträgen zu einer extremen Belastung von Mensch und Natur führen würde, sollte diese so umgesetzt werden.
Um einige Auswirkungen der derzeitigen Situation plastisch darzustellen, hier ein paar Beispiele:
- Allein im KreisHöxter sind derzeit nach Regionalplanentwurf OWL und kommunaler Bauleitplanung ca. 500 neue Windenergieanlagen geplant. 170 WEAs sind bereits gebaut oder genehmigt. Bis Ende November 2024 lagen darüber hinaus für Höxter und Paderborn Anträge für weitere 280 WEAs nach BImschG außerhalb der Windvorranggebiete vor. Der Kreis Höxter im Weserbergland umfasst erhebliche Teile der windkraftsensiblen Rotmilan-Population des Landes NRW und hat u.a. mit dem UNESCO-Weltkulturerbe Corvey eine bedeutendes Tourismus-Gewerbe.
- Gerade in vom Regionalplan ausgesparten Konfliktzonen/Dichtezentren windkraftsensibler Vogelarten werden jetzt BImschG-Anträge für Windenergieanlagen gestellt, z.B. im Kreis Minden-Lübbecke am Rand des NSG Oppenweher Moores in einem bedeutenden Kranichrastgebiet und im Feuchtwiesenschutzgebiet Bastauniederung.
- Besonderen Akzeptanzverlust erleidet die Windenergie gerade im Bereich des Teutoburger Waldes, der als „Bereich zum Schutz der Natur“ (Regionalplan OWL) für Windenergieanlagen Tabu sein sollte. Neben negativen Auswirkungen auf den Teutoburger-Wald-Tourismus mit Hermannsdenkmal, Externsteinen, Adlerwarte Berlebeck u.a. Destinationen, die neben den 240m hohen WEAs zwergenhaft erscheinen werden, sind BImschG-Standorte im Bereich der außerordentlich wichtigen Höhlen bei Horn-Bad Meinberg geplant, in denen z.T. erhebliche Teile nordwesteuropäischer Fledermauspopulationen ihre Überwinterungsquartiere haben.
Es steht zu befürchten, dass die Gesellschaft die Steuerungsmöglichkeiten für die Entwicklung der Windenergie-Anlagen verliert!
Es sind derzeit 2 Gesetzesvorhaben in der parlamentarischen Beratung des Bundestages, mit denen über eine ungesteuerte oder eine gesteuerte Entwicklung des Windenergieausbaus entschieden wird:
- Gesetz zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung sowie des
- Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023|2413
Ein ungebremster und nicht geregelter Windenergieausbau kann nicht im öffentlichen Interesse sein.
- mit den im „Wind-an-Land-Gesetz“ vorgegebenen ca. 2 % der Landesfläche wird eine Kompensation der Stromerzeugung aus fossilen Energien erreicht; dazu kommen die sog. „Positivplanungen“ der Kommunen im Rahmen ihrer Bauleitplanung. Dies wird zusammen einen gewünschten Preissenkungseffekt für Strom zur Folge haben, weil das Angebot steigen wird.
- Allein für die Verteilung dieser zusätzlichen Strommengen aus Erzeugerregionen in Regionen mit vermehrtem Verbrauch fehlt es derzeit an Leitungs-Infrastruktur und der Netzausbau hinkt um Jahre hinterher.
- Dies wird vermehrt zu Situationen führen, in denen Windstrom kostenpflichtig für die EVUs, d.h. am Ende für alle Bürger vernichtet werden muss, weil die Produktion massiv über den Bedarf bzw. die Kapazität des Leitungsnetzes hinausgehen wird.
- Ein ungesteuerter Ausbau würde unkalkulierbare Kosten für Maßnahmen zur Netz-Stabilisierung zur obligaten Folge haben.
- Der ökologische Schaden, den gerade die jetzt nach BImschG beantragten Anlagen anrichten werden, falls diese genehmigt würden, wäre exorbitant höher als bei den regionalplanerisch abgewogenen Windkraft-Vorranggebieten.
- Das Gleiche gilt für Auswirkungen auf das Landschaftsbild als Grundlage touristischer Destinationen (siehe Teutoburger Wald).
Eine Gesetzesbeschluss in der von der Bundesregierung vorgelegten Fassung, insbesondere die angedachten Änderungen im BauGB, würden aber gerade zu dieser ungebremsten und ungeregelten Entwicklung des Windenergieausbaus führen. Diese neuen „Altanträge“ würden unbesehen eine Privilegierung nach BauGB erhalten. Die Akzeptanz der Bürger in den ländlichen Regionen, die sich hilflos dieser Entwicklung mit einer erheblichen Umgestaltung ihrer Heimat ausgesetzt sehen, dürfte auf den Nullpunkt sinken. Es gibt bereits Hinweise, dass sich aus solchen Frustrationen vermehrt Hinwendungen zu anti-demokratischen Parteien und Kräften entwickeln.
Wir gehen davon aus, dass Sie all dem keinen Vorschub leisten wollen.
Wir bitten Sie daher,
- auf die beiden Im Entwurf der Bundesregierung vorgesehenen Änderungen der §§ 245 und 249 Baugesetzbuch zu verzichten und im Weiteren
- den Empfehlungen des Bundesrats in der Bundesrats-Drucksache 396\4\24 zu folgen.
Sollten Sie so verfahren und beschließen, besteht die Chance, dass ein bedarfsgerechter und mit anderen öffentlichen Belangen abgewogener Ausbau der Windenergieerzeugung mit bedeutend mehr Akzeptanz unter den Bürgerinnen und Bürgern unserer Region rechnen kann als bei den sich möglichst nicht eröffnenden Optionen hemmungsloser Gewinnmaximierung auf Kosten der Allgemeinheit, wie in diesem Gesetzesentwurf bislang vorgesehen.«
Dem Pivit ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die genannte Bundesrats-Drucksache etliche toxische Passagen enthält. Beispielsweise in Bezug auf Einschränkungen durch Luftfahrt-Bestimmungen. Also, Vorsicht!
Anmerkungen
↑1 | Liest sich insgesamt an etlichen Stellen so, als habe da jemand seit längerem aufmerksam den Pivit gelesen, allerdings ohne das irgendwo offenzulegen. Ist notiert. |
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