Brief nach Berlin: Bundestag soll Windkraft-Lobby stoppen

Dau­men rauf: Ob im Teu­to, ob in Fries­land wie hier: Die Wind­kraft­lob­by hat (noch) mäch­ti­ge Unter­stüt­zer. (Foto: Chris­toph Jans­sen / Mon­ta­ge: Der Pivit)

In der Frage, wo alles weitere Industriewindanlagen errichtet werden dürfen, droht neues Ungemach. Dafür soll nach Informationen des Pivit das Habeck-Ministerium gesorgt haben.

Offen­bar unter dem Ein­fluss des Bun­des­ver­bands Wind­ener­gie sind Para­gra­phen in ein Arti­kel­ge­setz ein­ge­flos­sen, das eigent­lich der Erleich­te­rung des Miet­woh­nungs­baus die­nen soll­te. Danach wären plötz­lich alle Alt­an­trä­ge, auch die nach Bun­des­im­mis­si­ons­schutz-Gesetz (BImschG) »pri­vi­le­giert«. Also etwa die­je­ni­gen, die in der Regi­on gera­de für Empö­rung sor­gen. Regio­nal­po­li­ti­ker und Natur­schüt­zer hegen aber die Hoff­nung, dass der Regie­rungs­vor­schlag so nicht durchs Par­la­ment kommt.

Eine Stel­lung­nah­me ist an die Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den im Deut­schen Bun­des­tag gegan­gen. Sie wer­den gebe­ten, den sich eröff­nen­den »Optio­nen hem­mungs­lo­ser Gewinn­ma­xi­mie­rung auf Kos­ten der All­ge­mein­heit« einen Rie­gel vorzuschieben.

Der Pivit doku­men­tiert hier den Wort­laut des Schrei­bens an einen ziem­lich gro­ßen Ver­tei­ler mit dem Betreff »Bau­ge­setz­buch-Novel­le „Gesetz zur Stär­kung der inte­grier­ten Stadt­ent­wick­lung“- Hier: Pri­vi­le­gie­rung von Alt­an­trä­gen Wind­kraft­an­la­gen §245e (Zif­fer 62) und § 249 (Zif­fer 69) BauGB strei­chen«.[1]Liest sich ins­ge­samt an etli­chen Stel­len so, als habe da jemand seit län­ge­rem auf­merk­sam den Pivit gele­sen, aller­dings ohne das irgend­wo offen­zu­le­gen. Ist notiert.


»Zur Umset­zung des „Wind-an-Land-Geset­zes“ der Bun­des­re­gie­rung befin­det sich die regio­nal­pla­ne­ri­sche Aus­wei­sung von Wind­kraft-Vor­rang­ge­bie­ten auf 1,8% der Flä­che in unse­rer Regi­on kurz vor der Beschluss­fas­sung durch den Regio­nal­rat. Die­se Regio­nal­plan­än­de­rung „Wind“ hat dem Natur­schutz einer­seits schmerz­haf­te Kom­pro­mis­se abver­langt, ande­rer­seits soll­te allen Men­schen in unse­rem Land klar sein, dass unse­re Lebens- und Über­le­bens­grund­la­gen, sowie die von Tier- und Pflan­zen­ar­ten auch von einer Begren­zung des Kli­ma­wan­dels abhän­gig sind. Um die erheb­li­chen Wis­sens­de­fi­zi­te zur Beur­tei­lung der Arten­schutz­si­tua­ti­on in den geplan­ten Wind­ener­gie-Vor­rang­flä­chen aus­zu­glei­chen haben die Natur­schutz­ver­bän­de in OWL auf eige­ne Kos­ten ein Gut­ach­ten in Auf­trag gege­ben, in dem aus ca. 24000 pri­va­te Beob­ach­tungs­da­ten von 8 wind­kraft­sen­si­blen Vogel­ar­ten Dich­te­zen­tren ermit­telt wur­den, um mög­li­che Kon­flikt­zo­nen mit neu aus­zu­wei­sen­den Wind­ener­gie­vor­rang­ge­bie­ten aus­zu­spa­ren. Dies ist auch z.T. von der Regio­nal­pla­nung für den Beschluss­ent­wurf umge­setzt worden.

Im Ver­trau­en dar­auf, dass mit Aus­wei­sung der zukünf­ti­gen „Go-To-Gebie­te“ für Wind­kraft­an­la­gen (WEA) die öko­sys­tem­kri­ti­schen Ein­grif­fe zur Erfül­lung der Aus­bau­zie­le erfolgt sein wer­den, führt die aktu­el­le Ent­wick­lung lei­der zu einem ekla­tan­ten Akzep­tanz­ver­lust in wei­te­ren Tei­len der im Natur­schut­zes Enga­gier­ten, wie auch in der gesam­ten Bevöl­ke­rung: aus­ge­löst durch ein Urteil des OVG Müns­ter zu einer ein­zi­gen WEA im Kreis Soest, deren unzu­rei­chen­de Begrün­dung durch die Bezirks­re­gie­rung Arns­berg für den Auf­schub der Geneh­mi­gung dem OVG Anlass gab auch an der Recht­mä­ßig­keit des § 36 (3) Lan­des­pla­nungs­ge­setz NRW zu zwei­feln (Urteils­be­grün­dung liegt bei, pers.Daten geschwärzt), wer­den jetzt im gan­zen Land NRW in gro­ßem Stil Anträ­ge auf Errich­tung von WEA nach BImschG außer­halb der im Regio­nal­pla­nungs­pro­zess befind­li­chen Vor­rang­ge­bie­te gestellt. Nach wie vor beab­sich­tigt das MWIKE den § 36 (3) LplG zum Auf­schub von WEA-Geneh­mi­gun­gen anwen­den zu las­sen. Jedoch kann durch die im par­la­men­ta­ri­schen Bera­tungs­pro­zess befind­li­che Bau­ge­setz­buch-Novel­le eine Situa­ti­on ent­ste­hen, die durch eine Pri­vi­le­gie­rung von Alt­an­trä­gen zu einer extre­men Belas­tung von Mensch und Natur füh­ren wür­de, soll­te die­se so umge­setzt werden.

Um eini­ge Aus­wir­kun­gen der der­zei­ti­gen Situa­ti­on plas­tisch dar­zu­stel­len, hier ein paar Beispiele:

  • Allein im Kreis­Höx­ter sind der­zeit nach Regio­nal­plan­ent­wurf OWL und kom­mu­na­ler Bau­leit­pla­nung ca. 500 neue Wind­ener­gie­an­la­gen geplant. 170 WEAs sind bereits gebaut oder geneh­migt. Bis Ende Novem­ber 2024 lagen dar­über hin­aus für Höx­ter und Pader­born Anträ­ge für wei­te­re 280 WEAs nach BImschG außer­halb der Wind­vor­rang­ge­bie­te vor. Der Kreis Höx­ter im Weser­berg­land umfasst erheb­li­che Tei­le der wind­kraft­sen­si­blen Rot­mi­lan-Popu­la­ti­on des Lan­des NRW und hat u.a. mit dem UNESCO-Welt­kul­tur­er­be Cor­vey eine bedeu­ten­des Tourismus-Gewerbe.
  • Gera­de in vom Regio­nal­plan aus­ge­spar­ten Konfliktzonen/Dichtezentren wind­kraft­sen­si­bler Vogel­ar­ten wer­den jetzt BImschG-Anträ­ge für Wind­ener­gie­an­la­gen gestellt, z.B. im Kreis Min­den-Lübb­ecke am Rand des NSG Oppen­we­her Moo­res in einem bedeu­ten­den Kra­ni­ch­rast­ge­biet und im Feucht­wie­sen­schutz­ge­biet Bastauniederung.
  • Beson­de­ren Akzep­tanz­ver­lust erlei­det die Wind­ener­gie gera­de im Bereich des Teu­to­bur­ger Wal­des, der als „Bereich zum Schutz der Natur“ (Regio­nal­plan OWL) für Wind­ener­gie­an­la­gen Tabu sein soll­te. Neben nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen auf den Teu­to­bur­ger-Wald-Tou­ris­mus mit Her­manns­denk­mal, Extern­stei­nen, Adler­war­te Ber­le­beck u.a. Desti­na­tio­nen, die neben den 240m hohen WEAs zwer­gen­haft erschei­nen wer­den, sind BImschG-Stand­or­te im Bereich der außer­or­dent­lich wich­ti­gen Höh­len bei Horn-Bad Mein­berg geplant, in denen z.T. erheb­li­che Tei­le nord­west­eu­ro­päi­scher Fle­der­maus­po­pu­la­tio­nen ihre Über­win­te­rungs­quar­tie­re haben.

Es steht zu befürch­ten, dass die Gesell­schaft die Steue­rungs­mög­lich­kei­ten für die Ent­wick­lung der Wind­ener­gie-Anla­gen verliert!

Hem­mungs­lo­se Gewinn­ma­xi­mie­rung auf Kos­ten der Allgemeinheit

Brand­brief an den Bundestag

Es sind der­zeit 2 Geset­zes­vor­ha­ben in der par­la­men­ta­ri­schen Bera­tung des Bun­des­ta­ges, mit denen über eine unge­steu­er­te oder eine gesteu­er­te Ent­wick­lung des Wind­ener­gie­aus­baus ent­schie­den wird:

  • Gesetz zur Stär­kung der inte­grier­ten Stadt­ent­wick­lung sowie des
  • Geset­zes zur Umset­zung der Richt­li­nie (EU) 2023|2413

Ein unge­brems­ter und nicht gere­gel­ter Wind­ener­gie­aus­bau kann nicht im öffent­li­chen Inter­es­se sein.

  • mit den im „Wind-an-Land-Gesetz“ vor­ge­ge­be­nen ca. 2 % der Lan­des­flä­che wird eine Kom­pen­sa­ti­on der Strom­erzeu­gung aus fos­si­len Ener­gien erreicht; dazu kom­men die sog. „Posi­tiv­pla­nun­gen“ der Kom­mu­nen im Rah­men ihrer Bau­leit­pla­nung. Dies wird zusam­men einen gewünsch­ten Preis­sen­kungs­ef­fekt für Strom zur Fol­ge haben, weil das Ange­bot stei­gen wird.
  • Allein für die Ver­tei­lung die­ser zusätz­li­chen Strom­men­gen aus Erzeu­ger­re­gio­nen in Regio­nen mit ver­mehr­tem Ver­brauch fehlt es der­zeit an Lei­tungs-Infra­struk­tur und der Netz­aus­bau hinkt um Jah­re hinterher.
  • Dies wird ver­mehrt zu Situa­tio­nen füh­ren, in denen Wind­strom kos­ten­pflich­tig für die EVUs, d.h. am Ende für alle Bür­ger ver­nich­tet wer­den muss, weil die Pro­duk­ti­on mas­siv über den Bedarf bzw. die Kapa­zi­tät des Lei­tungs­net­zes hin­aus­ge­hen wird.
  • Ein unge­steu­er­ter Aus­bau wür­de unkal­ku­lier­ba­re Kos­ten für Maß­nah­men zur Netz-Sta­bi­li­sie­rung zur obli­ga­ten Fol­ge haben.
  • Der öko­lo­gi­sche Scha­den, den gera­de die jetzt nach BImschG bean­trag­ten Anla­gen anrich­ten wer­den, falls die­se geneh­migt wür­den, wäre exor­bi­tant höher als bei den regio­nal­pla­ne­risch abge­wo­ge­nen Windkraft-Vorranggebieten.
  • Das Glei­che gilt für Aus­wir­kun­gen auf das Land­schafts­bild als Grund­la­ge tou­ris­ti­scher Desti­na­tio­nen (sie­he Teu­to­bur­ger Wald).

Eine Geset­zes­be­schluss in der von der Bun­des­re­gie­rung vor­ge­leg­ten Fas­sung, ins­be­son­de­re die ange­dach­ten Ände­run­gen im BauGB, wür­den aber gera­de zu die­ser unge­brems­ten und unge­re­gel­ten Ent­wick­lung des Wind­ener­gie­aus­baus füh­ren. Die­se neu­en „Alt­an­trä­ge“ wür­den unbe­se­hen eine Pri­vi­le­gie­rung nach BauGB erhal­ten. Die Akzep­tanz der Bür­ger in den länd­li­chen Regio­nen, die sich hilf­los die­ser Ent­wick­lung mit einer erheb­li­chen Umge­stal­tung ihrer Hei­mat aus­ge­setzt sehen, dürf­te auf den Null­punkt sin­ken. Es gibt bereits Hin­wei­se, dass sich aus sol­chen Frus­tra­tio­nen ver­mehrt Hin­wen­dun­gen zu anti-demo­kra­ti­schen Par­tei­en und Kräf­ten entwickeln.

Wir gehen davon aus, dass Sie all dem kei­nen Vor­schub leis­ten wollen.

Wir bit­ten Sie daher,

  • auf die bei­den Im Ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung vor­ge­se­he­nen Ände­run­gen der §§ 245 und 249 Bau­ge­setz­buch zu ver­zich­ten und im Weiteren
  • den Emp­feh­lun­gen des Bun­des­rats in der Bun­des­rats-Druck­sa­che 396\4\24 zu folgen.

Soll­ten Sie so ver­fah­ren und beschlie­ßen, besteht die Chan­ce, dass ein bedarfs­ge­rech­ter und mit ande­ren öffent­li­chen Belan­gen abge­wo­ge­ner Aus­bau der Wind­ener­gie­er­zeu­gung mit bedeu­tend mehr Akzep­tanz unter den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern unse­rer Regi­on rech­nen kann als bei den sich mög­lichst nicht eröff­nen­den Optio­nen hem­mungs­lo­ser Gewinn­ma­xi­mie­rung auf Kos­ten der All­ge­mein­heit, wie in die­sem Geset­zes­ent­wurf bis­lang vorgesehen.«


Dem Pivit ist wich­tig, dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die genann­te Bun­des­rats-Druck­sa­che etli­che toxi­sche Pas­sa­gen ent­hält. Bei­spiels­wei­se in Bezug auf Ein­schrän­kun­gen durch Luft­fahrt-Bestim­mun­gen. Also, Vorsicht!

Anmer­kun­gen

Anmer­kun­gen
1 Liest sich ins­ge­samt an etli­chen Stel­len so, als habe da jemand seit län­ge­rem auf­merk­sam den Pivit gele­sen, aller­dings ohne das irgend­wo offen­zu­le­gen. Ist notiert.

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