Als Seh-Mensch mag ich das Wort natürlich sowieso, aber auch sonst gibt es viele Gründe, »Augenschein« wertzuschätzen. Es steckt so vieles darin, was – für Journalisten allemal – dringend notwendig ist: Etwas in Augenschein zu nehmen, heißt, es sich selbst anzusehen, sich selbst ein Bild zu machen, sich nicht auf andere und deren Urteil zu verlassen. Die Inaugenscheinnahme ist ein Akt der Wahrhaftigkeit. Nicht zuletzt deshalb ist das Wort auch im juristischen Sprachgebrauch sehr präsent – nachzulesen etwa in der Strafprozessordnung.
Zugleich trägt der Augenschein den Widerspruch in sich. Nämlich den Appell, den eigenen Augen nicht zu trauen, zumindest genauer hinzusehen, sich nicht nur auf den »Anschein« zu verlassen, weitere Quellen der Erkenntnis heranzuziehen – wobei wir wieder bei der journalistischen Sorgfalt wären. Etwas, das mir, wie jeder weiß, sehr am Herzen liegt.
Woche #51