Genau heute vor 45 Jahren ist eines der bekanntesten Bilder der Bonner Republik entstanden – Willy Brandt spielt Mandoline. Nicht mal zweieinhalb Kilometer von hier, am »Forstfrieden« nahe dem Donoper Teich. Am 17. Juli 1976.
Warum just dieses Bild noch immer fasziniert, ist nicht ganz leicht zu verstehen. Zunächst: Es ist – im engeren fotografischen Sinn – kein gutes Bild, mehr ein Schnappschuss. Zwei Gläser und eine Flasche ragen links unten mehr oder weniger stark ins Bild; eines verdeckt fast ganz den Korpus der Mandoline. Aus einem Glas ragt ein Trinkhalm hervor. Dann zieht ein Sonnenschirm mit »Coke«-Aufschrift die Aufmerksamkeit auf sich.
Und doch hat dieses Dia es vermocht zu zeigen, was den Menschenfischer Willy Brandt ausmachte und was auch heute noch seine Faszination begründet.
Willy wird hier nicht inszeniert, ist nicht glamourös, edel, staatstragend dargestellt. Zu dieser Zeit ist er schon 63 Jahre alt, der Rücktritt als Bundeskanzler nach der Enttarnung des DDR-Spions Günter Guillaume liegt zwei Jahre zurück. Seine Ehe mit Rut Brandt wird noch vier Jahre halten und dann nach 32 Jahren geschieden. Brandt wirkt müde, aber ganz bei sich, gedankenverloren, blickt nach innen.
Brandt ist an diesem Tag im Wald Pivitsheide nicht Staatsmann. Er ist er selbst. Kippe im Mundwinkel, die Ärmel des Jeanshemdes aufgekrempelt. Die Sonnenbrille steckt in einer offenen Brusttasche neben einem Notizblock oder gefalteten Papier. Alles wirkt leger, ungezwungen.
Um diese Bildbotschaft zu verdichten, musste das von Henning von Borstell geschossene Foto stark beschnitten und auch – nicht eben subtil – retuschiert werden. Das Rohbild, das auch einen Teil von Willys Entourage an diesem Wandertag im Wahlkampfjahr 1976 zeigte, hätte so niemals für das bekannte Poster getaugt, das früher viele SPD-nahe Bürger an der Wand hatten. [1]Ich habe auch noch eins.
Dennoch steht eben dieses Bild vom Donoper Teich in Pivitsheide in einer Reihe von Fotodokumenten, die die Erinnerung vieler Menschen an den Sozialdemokraten Willy Brandt prägen – der Rücktritt nach dem Verrat seines persönlichen Referenten Guillaume, der Kniefall von Warschau und eben Willy mit der Mandoline.
Und deshalb ist letzten Endes dieser Schnappschuss aus Pivitsheide doch ein sehr gutes Bild.
Das Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Bonn hütet den gesamten Nachlass Willy Brandts. Dort findet sich auch ein überaus lesenswerter Text zur Entstehung des Mandolinen-Fotos.
Anmerkungen
↑1 | Ich habe auch noch eins. |
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