Merkwürdige Klimmzüge für das Amazon-Zentrum in Lippe

Um die Ansied­lung eines Ama­zon-Logis­tik­zen­trums auf 21 Hekt­ar bes­ten Acker­lan­des auf dem Bel­ler Feld zu ermög­li­chen, macht die Stadt Horn-Bad Mein­berg ziem­li­che Ver­ren­kun­gen. Dabei kann man sich schon mal selbst ein Bein stel­len. Des­we­gen lie­gen der­zeit zwei Beschwer­den bei der Kom­mu­nal­auf­sicht des Krei­ses Lip­pe, wie der Kie­bitz erfah­ren hat. Der Bür­ger­meis­ter (SPD) wur­de auf­ge­for­dert, sich zu erklären.

Im Kern geht es um den wich­ti­gen Punkt der Aus­gleichs­flä­chen für die erfor­der­li­chen Arten­schutz­maß­nah­men. Die braucht es immer bei Pro­jek­ten die­ser Grö­ßen­ord­nung. Und sie müs­sen in einer ganz bestimm­ten Art und Wei­se ange­legt und genutzt wer­den. Und zwar in der Nähe des Pro­jek­tes. Die Stadt sah sich gezwun­gen, teils bis Hees­ten zu gehen, um die­se Vor­ga­be zu erfül­len. Genau­er gesagt: Sie muss­te soweit gehen, weil Ver­trä­ge mit fünf ande­ren Land­wir­ten für näher­lie­gen­de Flä­chen nicht zustandekamen.

Nun also der zwei­te Ver­such mit ver­grö­ßer­tem Such­ra­di­us, bis zu mehr als acht Kilo­me­ter ent­fernt. Aber: Einer der Land­wir­te, die dafür Land zur Ver­fü­gung stel­len – gegen Bezah­lung, ver­steht sich -, ist auch Rats­mit­glied der CDU. Und außer­dem 2. stell­ver­tre­ten­der Bürgermeister.

Einer Beschluss­fas­sung des Rates Vor­la­ge VL-259/20–25 Sei­te 3 über die Ver­trä­ge bedarf es nicht.

Aus einer inzwi­schen über­hol­ten Ratsvorlage

Eine Kom­mu­ne macht Geschäf­te mit einem Mit­glied des Gre­mi­ums, das die Lei­tung eben die­ser Kom­mu­ne eigent­lich kon­trol­lie­ren soll? Das sieht die Gemein­de­ord­nung aus sehr guten Grün­den so nicht vor – um es vor­sich­tig zu formulieren.

Die vom ASL in der Sit­zung vom 23.11.2021 beschlos­se­nen städ­te­bau­li­chen Ver­trä­ge mit Flä­chen­ei­gen­tü­mern über die zur Durch­füh­rung und dau­er­haf­ten Siche­rung von Maß­nah­men zum Aus­gleich von Ein­grif­fen in Natur- und Land­schaft gem. § 1a Abs. 3 BauGB und von vor­ge­zo­ge­nen Aus­gleichs­maß­nah­men nach dem Arten­schutz gem. § 44 Abs. 5 BNatSchG (CEF-Maß­nah­men) wur­den vom Bür­ger­meis­ter unter­zeich­net.

VL-259/20–25 2. Ergän­zung v. 26.11.2021

In Aus­nah­me­fäl­len kann ein Stadt- oder Gemein­de­rat eine sol­che etwas eigen­wil­li­ge Kon­struk­ti­on abseg­nen – was der Horn-Bad Mein­ber­ger Rat im Fall des städ­te­bau­li­chen Ver­tra­ges mit dem Vize­bür­ger­meis­ter – in des­sen Abwe­sen­heit – auch getan hat. 

Gemäß Gemein­de­ord­nung NRW § 41 Abs. S und Haupt­sat­zung § 10 der Stadt Horn-Bad Mein­berg, sind Ver­trä­ge mit Rats­mit­glie­dern durch den Rat der Stadt zu geneh­mi­gen.

Tisch­vor­la­ge vom 7.12.2021 im Rat am 9.12.2021

Nach­dem der Rat in frü­he­ren Fas­sun­gen der Beschluss­vor­la­gen infor­miert wor­den war, der Rat müs­se über die Ver­trä­ge nicht abstim­men bzw. der Bür­ger­meis­ter habe die Ver­trä­ge bereits unter­schrie­ben, kam die Sache per Tisch­vor­la­ge VL-310/20–25 am 9. Dezem­ber dann doch noch auf die Tages­ord­nung. Hin­ter ver­schlos­se­nen Türen.

Ablauf der Bera­tung und des Ver­wal­tungs­han­delns – etwa Vor­la­gen sehr kurz­fris­tig nur per E‑Mail – wer­fen Fra­gen auf, mit denen sich nun auch die Kom­mu­nal­auf­sicht befas­sen muss.

Vertrag mit dem Vizebürgermeister

Es gibt Bür­ger in der Stadt, die der Ansicht sind, dass jetzt min­des­tens ein Städ­te­bau­li­cher Ver­trag hin­fäl­lig ist. Was wie­der­um zur Fol­ge hät­te, dass der Arten­schutz in Ver­bin­dung mit dem Bebau­ungs­plan Be 10 „Der Indus­trie­park Lip­pe“ für das rie­si­ge Ama­zon-Zen­trum nicht aus­rei­chend gesi­chert wäre.

Die Kos­ten für die Arten­schutz­maß­nah­me – also die Zah­lung an die betei­lig­ten Land­wir­te – wer­den auf 70.000 EUR pro Jahr bezif­fert. Einen Teil davon soll nach Infor­ma­tio­nen des Kie­bitz ein »noch anzu­sie­deln­des Logis­tik­un­ter­neh­men« tragen. 

Wer das wohl sein mag?

Pyro­ly­se oder pyro­ly­ti­sche Zer­set­zung (von alt­grie­chisch πῦρ pyr ‚Feu­er‘ und λύσις lýsis ‚(Auf)Lösung‘) bezeich­net ver­schie­de­ne ther­mo-che­mi­sche Umwand­lungs­pro­zes­se, in denen orga­ni­sche Ver­bin­dun­gen bei hohen Tem­pe­ra­tu­ren und in Abwe­sen­heit von Sau­er­stoff (λ=0) gespal­ten werden.

Pyro­ly­se

Für Dis­kus­sio­nen sorgt auch die für den Indus­trie­park geplan­te Ansied­lung einer Anla­ge zur Behand­lung von Alt­rei­fen. Dabei soll ein Pyro­ly­se­ver­fah­ren zum Ein­satz kom­men. Auch die­ser Plan berei­tet nicht weni­gen Bür­gern Unbe­ha­gen. Sie befürch­ten eine Art Müll­ver­bren­nung durch die Hin­ter­tür auf dem Bel­ler Feld.

Die Offen­le­gung der Plan­un­ter­la­gen mit der Mög­lich­keit zur Stel­lung­nah­me läuft noch bis zum 12. Janu­ar 2022. 

Schö­ne Aussichten.

Die Tages­ver­kehrs­be­las­tung des Indus­trie­parks bei einer Brut­to­bau­land­flä­che von 22,21 ha beträgt 2.211 Kfz / 24h (1.740 Pkw / 472 Lkw). Hin­zu kom­men 4.232 Kfz/24h (3.792 Pkw / 440 Lkw) durch die Ansied­lung des Logistikers.

Ver­kehrs­stu­die

Bis­her spielt das The­ma »Ama­zon im Bel­ler Feld« in Nach­bar­ge­mein­den von Horn-Bad Mein­berg nahe­zu kei­ne Rol­le. Das soll­te es aber viel­leicht, wenn man sich vor Augen führt, wel­che Ver­kehrs­be­las­tung da auf die Nach­barn zurollt. 

Im wahrs­ten Sin­ne des Wortes.

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