Ich muss ein Geständnis ablegen.
Die erste Liebe meines Lebens war nicht die Frau, mit der ich seit nunmehr 31 40 Jahren verheiratet bin, sondern – Senta Berger.
Uns verbindet, ohne dass sie davon wüsste, eine lange, gemeinsame und stellenweise intime Geschichte.
Alles begann nach meiner Erinnerung im »Soldatenheim«, einem zivil-militärischen Zweckbau, der der außerdienstlichen Erbauung der in der Garnisonsgemeinde Augustdorf reichlich vorhandenen Rekruten und Zeit-/Berufssoldaten diente. Dort gab es nicht nur Pommes und Zigeunerschnitzel mit aus dem Schraubdeckelglas geschüttelter Sauce, eine Kegelbahn, Billard und billiges Bier, sondern auch regelmäßig (sonntags) Disco und – einen Kinosaal.
Ich muss ergänzen, dass wir uns Mitte der 70er Jahre bewegen. Etwa zu der Zeit, als Rod Steward mit »Maggie May« die Charts stürmte und eine gewisse Gertrude Wirschinger, besser bekannt als Penny McLean, mit »Lady Bump« der Kracher auf den Tanzflächen war. So auch im Soldatenheim. Dort traten gar nicht mal so unbekannte Leute und Bands auf wie Ekseption, Alexis Korner, Ulrich Roski oder Insterburg & Co. Und ich war so um die 15 Jahre alt.
Es war auch die Zeit, als man(n) noch ohne Gewissensbisse in der Größe eines Kleinwagens Filme ansehen durfte mit Titeln wie »Als die Frauen noch Schwänze hatten«. [1]So sah Senta Berger die Geschichte.
Und genau hier kommt Senta Berger ins Spiel.
Sie hatte die Hauptrolle als Steinzeit-Eva in diesem heute nur noch als peinlich zu bezeichnenden Streifen aus italienischer Produktion. Giuliano Gemma mühte sich als ihr männlicher Gegenpart.
Über den Inhalt weiß ich nichts mehr, vermute aber, dass dies kein Mangel ist. Immerhin hat dank dieses schmuddeligen Filmchens ein Wort Eingang in die deutsche Sprache gefunden, das noch lange danach, zumindest von jungen Leuten, benutzt wurde: »Schmackofatz« – für Essen.
Die zweite nachhaltige Prägung war eine persönliche und weitgehend hormongesteuert. Senta Berger, langmähnig, tolle Figur, sinnlicher Mund, herrliche Augen, dürftig bekleidet, wurde die Frau meiner Träume.
Daran hat sich nichts geändert. Noch heute kann ich keine Fernsehzeitung durchblättern, ohne sofort innezuhalten, wenn ich den Namen lese oder ihr Gesicht sehe.
Allerdings hat sich die Grundlage meiner Wertschätzung verändert.
Noch immer finde ich Senta Berger wunderschön. Auch mit 70 – herzlichen Glückwunsch übrigens! – hat sie mehr Klasse und Anmut als so manche Hupfdohle oder Möchtegern-Schauspielerin, die da so durch die deutsche TV-Landschaft turnt. Und ich habe gelernt, dass mich nicht nur ihr Aussehen fasziniert. Es ist auch, oder mindestens zu gleichen Teilen, ihre unglaublich erotische Stimme.
Vor allem aber schätze ich ihre schauspielerischen Qualitäten.
Ein gutes Drehbuch, eine gute Geschichte vorausgesetzt, idealerweise noch eine von Belang und auf der Höhe der Zeit, ein Kameramann und ein Regisseur, die ihr Handwerk verstehen – und der Fernsehabend ist gerettet. Ich denke an »Schlaflos« oder auch »Frau Böhm sagt nein«. Und »Unter Verdacht« zählt seit Jahren zu den immer seltener werdenden Perlen in der öffentlich-rechtlichen TV-Unterhaltung.
Nicht nur wegen Senta Berger, sondern auch dank des großartigen Rudolf Krause und dank Gerd Anthoff. Und wegen der stets mit Bedacht angelegten, fein gezeichneten Rollen, die kein »Neben-« verdienen, weil sie die Geschichte tragen. Und wegen der manchmal geradezu genialen Dialoge. Oder der Momente, in denen eben nichts gesagt wird.
Und wegen der vielen kleinen Szenen, in denen auch Krause seine Klasse ausspielt. Wo man das Unheil ahnt und wie ein Kind im Kasperltheater aufspringen und warnend schreien möchte: »Langner! Langner, pass auf! Gleich tust du dir weh!«
Gestern abend war sie wieder Eva Maria Prohacek. Ich mag diese aufmerksame, hartnäckige, einfühlsame, unbestechliche, mitfühlende, starke, verletzliche, ruppige, sanfte, knallharte Figur. Wie sie ihr Gegenüber in Sekunden durchschaut, in Sicherheit wiegt, mit dessen Eitelkeiten spielt, lächelnd ihre Leimruten auslegt, scheinbar kokettiert – und dann erbarmungslos zustößt wie mit einem Stilett, um die glatte Schale zu knacken, um zu erfahren, was sie wissen will. Ich mag ihren wachen Blick, ihren Sinn fürs Detail, ihre Beobachtungsgabe, ihre Klugheit, ihre Disziplin, ihren gut justierten moralischen Kompass.
Ich denke, dass Senta Berger dies nicht nur so brillant spielt, weil die Rolle es erfordert. Dafür füllt sie diesen Rahmen zu mühelos aus, zu natürlich, zu selbstverständlich.
Ich denke, das ist, zu einem guten Teil, sie selbst. Zumindest möchte ich das gerne glauben.
Ich hatte gestern die Wahl. Ich hätte, bei den Privaten, auch Hollywood sehen können. Nicht gerade die B‑Kategorie. Sean Penn und Nicole Kidman.
Aber wer braucht die schon, wenn er Rudolf Krause und Senta Berger haben kann?
Anmerkungen
↑1 | So sah Senta Berger die Geschichte. |
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Hey Micha,
wenn ich so gut formulieren könnte wie du, würde ich eben diese Worte wählen! Mehr davon…
Greets O.
Hi Oli,
tja, gib mir Zeit, und Zeit und nochmals Zeit…
Und sonst?