Die Quoten-Lena

Wir sind Lena! Oder? Ich nicht.

Ich habe nichts gegen die jun­ge Frau aus Han­no­ver und der Erfolg in Oslo sei ihr herz­lich gegönnt. Aber die­ser medi­en­ge­mach­te Hype um den Schla­ger-Grand-Prix geht mir auf die Nerven.

Abge­se­hen davon den­ke ich, dass Lenas Mit­be­wer­be­rin aus der Vor­ent­schei­dung, Jen­ni­fer Braun, die mit Abstand bes­se­re Sän­ge­rin ist. Ver­gli­chen mit deren volu­mi­nö­ser Stim­me klingt doch Lena wie eine zu tief gestimm­te Quietscheente.

Neh­men wir an, man besä­ße kei­nen Fern­se­her, hät­te nichts von der Vor­ent­schei­dung und dem Aus­gang des Grand Prix mit­be­kom­men – es hät­te einem wohl kaum etwas gefehlt. Die Rele­vanz geht gegen Null. Die gan­ze Cho­se hat doch – egal, was uns man­che Leit­ar­tik­ler weis­ma­chen wol­len, indem sie den Lena-Hype zu einem natio­na­len Ereig­nis hoch­schrei­ben – in Wahr­heit nicht mehr Tief­gang als eine Pfüt­ze auf dem Bie­le­fel­der Jahnplatz.

Mit­ten drin in dem Rum­mel der Vater des Erfol­ges, Ste­fan Raab, flan­kiert von sei­nem Adla­tus Mat­thi­as Opden­hö­vel – übri­gens wie ich ein Detmolder.

Der fol­gen­de Text von mir ist heu­te in der Neu­en West­fä­li­schen erschienen.

Der tota­le Raab

VON MICHAEL KAISER

Der Mann hat ein aus­ge­spro­chen gutes Händ­chen dafür, was in Zei­ten des tota­len Pri­vat­fern­se­hens gefragt ist. Was Ste­fan Raab anpackt, glückt. Meistens.

Bie­le­feld. Es war ein­mal ein Metz­gers­sohn. Der wuss­te nicht so recht, was er wer­den soll­te. Jurist viel­leicht? Oder doch lie­ber Schlach­ter und beim Vater ein­stei­gen? Er pro­bier­te bei­des, die Juris­te­rei in Köln und Bie­le­feld, aber ohne Abschluss. Das blu­ti­ge Hand­werk hin­ge­gen lag ihm offen­bar besser.

Die Leh­re bei Vat­tern absol­vier­te er sum­ma cum lau­de. Das File­tie­ren, der Blick für das rich­tig gute Stück, zu sehen, wie die Faser läuft, wo man das Mes­ser anset­zen muss, zu wis­sen, was wohl nur als Scha­be­fleisch taugt, und eine gewis­se stump­fe Rück­sichts­lo­sig­keit – das alles half ihm auch spä­ter, als er zum Fern­se­hen ging. Heu­te ist Ste­fan Raab ein Star.

Es gibt nur weni­ge, die sich selbst und ande­re so erfolg­reich ver­mark­ten wie der 44-Jäh­ri­ge aus Köln.

Alles Mög­li­che hat er ver­wurs­tet, bis er her­aus­fand, was er noch bes­ser kann als Grill­schne­cken auf­spie­ßen, Nacken­steak mari­nie­ren und in der Blut­sup­pe rüh­ren: die Selbst­dar­stel­lung und das Leu­te-Ver­ar­schen. Eher zufäl­lig beim (Privat-)Fernsehen gelan­det, bas­tel­te er ziel­stre­big an sei­ner Rol­le als Enter­tai­ner, Pro­du­zent, Musi­ker, Come­di­an, Talent­för­de­rer und zuletzt auch Sportler.

Raab schont sich selbst nicht, holt sich vor lau­fen­der Kame­ra auch schon mal eine blu­ti­ge Nase. Aller­dings ist das Schmer­zens­geld auch nicht zu ver­ach­ten. Aber sein Mit­leid mit ande­ren hält sich in engen Gren­zen. Wenn es der Quo­te dient, muss sich schon mal ein Nobo­dy vor Mil­lio­nen als „schwu­le Sau“ titu­lie­ren las­sen – was Raab 5.000 Euro Stra­fe kos­te­te. Er zahl­te auch 70.000 Euro für den infan­ti­len Spott über die Schü­le­rin Lisa Loch, der er eine glän­zen­de Zukunft in der Por­no­bran­che ver­hieß. Und der­glei­chen Vor­fäl­le gab es noch eini­ge mehr. Dar­un­ter den Fall der Säch­sin Regi­na Zind­ler („Maschen­draht­zaun“), die öffent­lich so getriezt wur­de, dass sie infol­ge der psy­chi­schen Belas­tung den Wohn­ort wechselte.

Gele­gent­lich ist der TV-Stu­dio-Schreib­tisch des kan­ti­gen Unter­hal­ters mehr wie der Hack­klotz in einer geka­chel­ten Metz­gers­kü­che. Nur dass Raab nun Sprü­che klopft statt Kote­letts. Etwa wenn er in Anspie­lung auf die ver­hee­ren­den Luft­an­grif­fe auf Dres­den mit Zig­tau­send Toten ulkt, Sach­sen sei so beliebt, dass ein­mal tau­send Eng­län­der auf ein­mal zu Besuch gekom­men sei­en. Kno­chen­hau­er Raab muss­te sich entschuldigen.

Lena Mey­er-Land­rut hat viel­leicht nur Glück gehabt, auf der rich­ti­gen Sei­te zu ste­hen. So jemand könn­te sonst leicht zur Ziel­schei­be des Spotts des tota­len Raab wer­den. Nun aber ist die jun­ge Frau aus Han­no­ver Grand-Prix-Gewin­ne­rin. Mit solch einem Filet­stück kann der Mann noch viel Geld verdienen.

Die elter­li­che Metz­ge­rei liegt übri­gens in Köln-Sülz. Schon das klingt doch irgend­wie programmatisch.

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