Kolumbien ist weit weg, ja. Aber wenn jemand von hier sich dort engagiert, ist es auf einmal ganz nah.
Moritz Fiedler stammt aus Belle bei Horn-Bad Meinberg und arbeitete ein Zeitlang in einer Schule für Kinder und Jugendliche mit den verschiedensten Behinderungen. Diese von einer Stiftung getragene Schule im Internatsbetrieb am Rio Fonce kämpft um ihre Existenz – jeden Tag. Mittlerweile arbeiten nur noch acht Menschen an der Schule. Und die Schwestern der Daughters of Charity of Saint Vincent de Paul kümmern sich täglich um die Verpflegung.
»Die Kinder kommen aus extremer Armut und haben teilweise menschliches Elend in ihrer Vita, das ich kaum fassen kann. Die Folgen einer Schulschließung wären für die Entwicklung und die Lebenschancen dieser Kinder dramatisch«, sagt Dr. Fiedler (kl. Bild). Auf seine Initiative wurde mit Freunden und Familie in Lippe im August ein eingetragener Förderverein gegründet. Anfang November wurde der Verein vom Finanzamt Detmold als gemeinnützig eingestuft. Über die Ziele der Initiative berichtet Fiedler im folgenden Interview.
Herr Fiedler, Sie setzen sich für die Schule „Colegio Fundación Marillac“ in Kolumbien ein. Warum spielt diese Schule in Ihrem Leben eine Rolle?
Mehr zufällig als wirklich geplant, bin ich über die Plattform Workaway als Freiwilliger dort gelandet. Und plötzlich war ich mitten drin. In dem Leben und der Situation dieser Kinder, zwischen Zauber und Tragik.
Was meinen Sie damit genau?
Am Anfang sah ich vor allem das Zauberhafte. Glückliche und lachende junge Menschen. Junge Menschen mit ganz unterschiedlichen und teilweise sehr schweren Behinderungen, aber voller Lebensfreunde, Energie und Lebenslust. Das faszinierte mich.
Das klingt für mich erstmal nach etwas Gutem. Wo kommt die Tragik in Ihrer Geschichte ins Spiel?
Nach und nach erfuhr ich mehr über die Geschichten der Kinder. Dadurch eröffnete sich mir die Sicht auf menschliches Leid, dass mich tief erschütterte. Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, aber die Geschichten vieler Kinder dort bestehen aus einer Kombination von Stigmatisierung, abgehauenen Vätern, Misshandlung, gestorbenen Elternteilen und extremer Armut. Also beispielsweise haben viele Kinder bis heute noch keine richtige Diagnose bekommen. Schlicht aus dem Grund, weil die Eltern das Busticket zum nächsten Spezialisten nicht zahlen können.
Ist es nicht eigentlich die Aufgabe des Staates, dort aktiv zu werden?
Im Idealfall klar. Aber im Schulsystem dort werden diese Kinder einfach abgelehnt und staatliche, spezialisierte Einrichtungen sind gerade im ländlichen Raum nicht zu finden.
Aber zurück zur Tragik. Die wirkliche Tragik ist, dass nun genau diese Schule, die für viele Kinder der Wendepunkt zwischen Elend und erfülltem Leben ist, immer wieder kurz vor dem Aus steht.
Was hat sich verändert?
Während der Corona Pandemie sind viele private Spender abgesprungen. Gleichzeitig sind Förderungen aus Entwicklungshilfeprogrammen von europäischen Staaten ausgeblieben. Eine Mitarbeiterin von einer großen deutschen NGO bestätigte mir, dass sich der Fokus der Entwicklungszusammenarbeit von Südamerika in andere Teile der Welt entwickele. Und so fehlt der Schule schlicht das Geld um Lehrer, Therapeuten und Lebensmittel für die Kinder zu bezahlen.
Wie gestaltet sich die aktuelle Situation?
Viele Lehrerinnen und Therapeutinnen mussten entlassen werden. Gerade hält ein Team von nur vier bezahlten Mitarbeitenden gemeinsam mit einigen Nonnen eine Art Notbetrieb aufrecht. Es ist unklar, wie lange die das durchhalten. Ich muss dazu sagen, dass diese Schule für viele der über 30 Kinder ein Internat ist. Ein Großteil lebt von Montag bis Freitag dort. Das ist mit einer Hand voll Leuten extrem kräftezehrend.
Wie man helfen kann
Warum fühlen Sie sich für diese Schule verantwortlich?
Ich weiß nicht, ob „verantwortlich“ es richtig trifft. Ich kann einfach nicht begreifen, dass wir als Menschheitsfamilie an Dingen wie KI arbeiten und gleichzeitig bei der Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse von Menschen scheitern.
Und das ist natürlich besonders tragisch bei diesen Kindern, die zumindest bezogen auf unsere Gesellschaften in der Lebenslotterie verloren haben: Arm und mit einer Behinderung auf die Welt gekommen. Vollkommen abhängig. Ich denke einfach, diese Menschen dürfen wir nicht alleine Zuhause ihrem Schicksal überlassen.
Was ist Ihr Plan?
Ich bin sehr dankbar, dass meine Familie und Freunde mit mir gemeinsam einen deutschen gemeinnützigen Förderverein gegründet haben. Jetzt suchen wir Menschen, die gemeinsam mit uns die Schule in Kolumbien erhalten. Wenn rund 1.500 Menschen den Förderverein mit 5 Euro monatlich unterstützen, ist der Fortbestand der Schule gesichert. 25 haben wir schon (lacht).
Vielen Dank für diese Einblicke und ich drücke Ihnen und der Schule die Daumen.
Ich habe zu danken. Und möchte betonen, dass wir für jede Spende dankbar sind. Jeder Euro zählt, kommt an und macht einen Unterschied.