Kafrus

Dafür, dass der »Kafrus« (Beto­nung auf dem lan­gen »u«) doch ein – zumin­dest in Tei­len Deutsch­lands – recht gän­gi­ger Begriff ist, der über­dies auch noch eine unge­wöhn­lich rei­che Bedeu­tungs­viel­falt auf­weist, über­rascht es mich sehr, dass ich ihn noch nie gehört hat­te. Was ihn eher auf­wer­tet. Außer­dem ist er jid­di­schen Ursprungs, gehört aber erstaun­li­cher­wei­se nicht zu den bekann­te­ren Wor­ten jid­di­scher Pro­ve­ni­enz (Bam­mel, Gano­ve, Kaff, Maloche…)

Sei’s drum.

Wie sich zeigt, ist »Kafrus« im süd­li­chen West­mit­tel­deut­schen, also im Süd­hes­si­schen und (Kur)pfälzischen ver­brei­tet. Man fin­det das Wort in eini­gen gro­ßen Dia­lekt- und Mund­art­wör­ter­bü­chern, etwa im Pfäl­zi­schen Wör­ter­buch, im Süd­hes­si­schen Wör­ter­buch und – etwas lokal­spe­zi­fi­scher – im Frank­fur­ter Wörterbuch.

Das Wort hat meh­re­re Bedeu­tun­gen, die wohl auch von der jewei­li­gen Regi­on abhän­gig sind, in der es ver­wen­det wird. Her­ge­lei­tet wird es von rot­welsch »Chawrus­se« oder »Kab­ruse« (Diebs­ban­de), das sei­ner­seits auf jid­disch »chawrus­so« zurück­geht, was so viel wie »Gesell­schaft«, »Kame­rad­schaft« oder »Genos­sen­schaft« meint.

Die­se letz­te­re Bedeu­tung kann das Wort bei­spiels­wei­se in der Frank­fur­ter Mund­art haben, wenn man sagt: »Heut Owend kimmt die ganz Kafrus«. Will sagen: »Heu­te abend kommt die gan­ze Gesellschaft«.

Deut­li­cher in Rich­tung »Diebs­ban­de« oder halb­sei­de­ne Gesell­schaft zielt es, wenn es bei­spiels­wei­se redens­art­lich heißt: »Mir mache kip­pe-kafrus«, was so viel bedeu­tet wie »Wir tei­len den Gewinn, die Beute«.

Das Wort kann auch im Sin­gu­lar vor­kom­men (der Kafrus); es meint dann einen klei­nen Jun­gen oder Lau­se­jun­gen, einen gefähr­li­chen, durch­trie­be­nen Kerl wie zum Bei­spiel einen Ein­bre­cher oder auch – dann als »die Kafrus« – für eine durch­trie­be­ne Frau gebraucht werden.

Mal meint es einen noto­ri­schen Tag­dieb, einen streit­süch­ti­gen Bur­schen, einen mora­lisch min­der­wer­ti­gen Men­schen, einen geis­tes­schwa­chen, töl­pel­haf­ten oder unge­schick­ten Kerl, aber auch einen guten Freund oder Kameraden.

Im Süd­hes­si­schen fin­den sich dar­über hin­aus die Bedeu­tun­gen »zier­li­ches Tänn­chen, das der Förs­ter zum Weih­nachts­baum erwählt« und »Durch­ein­an­der, ver­rück­te Ideen«. Und auch ein Adjek­tiv kafrus für »selt­sam« ist belegt.

Wie sich zeigt, wird »Kafrus« meist pejo­ra­tiv-abschät­zig ver­wen­det, es kann aber auch aner­ken­nend oder lie­be­voll gebraucht wer­den. Kommt halt drauf an.

Ein sehr span­nen­des Wort, das ist mal sicher.

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