Dass Frau Esken nicht weiß, wo vorn und hinten ist und überdies charakterlich herausgefordert, vermute ich ja bekanntlich aus den verschiedensten Gründen auch schon länger. Und dass sie und ihr Co-Vorsitzender Walter-Borjans ein besonderes Verhältnis zu Kevin Kühnert haben, ist logisch, da die SPDqueer-Ikone als Macher ihrer Wahl zu Parteivorsitzenden gilt.
Aber so langsam scheint die Parteispitze die Bodenhaftung zu verlieren. Gesine Schwan und Wolfgang Thierse sollen »rückwärtsgewandte« Vertreter der SPD sein?
Wenn das mal nicht ein kapitaler Rohrkrepierer wird. Und das wenige Monate vor der Bundestagswahl. Da hat die SPD-Spitze eine Debatte an der Backe, die sie – meine Vermutung – nicht mal in der eigenen Partei gewinnen kann. Jedenfalls nicht außerhalb Berlins oder Kölns.
Die Reaktion des langgedienten Partei-Kempen Thierse ist nur allzu verständlich. Er hat seinen Parteiaustritt angeboten.
Ein solcher Umgang der SPD 2021 mit dem ehemaligen Bundestagspräsidenten und ‑vizepräsidenten ist erbärmlich. Er sagt allerdings sehr viel über die Urheber der Attacke aus. Kanzlerkandidat Olaf Scholz sollte sich überlegen, ob er wirklich für diese SPD antreten will.
Immer wieder habe ich den Eindruck, dass allzu viele SPD-Aktive und ‑Funktionär*innen lieber Grünen- oder Linken-Politik machen wollen und des Eigenen, des Sozialdemokratischen gänzlich unsicher geworden sind.
Wolfgang Thierse, 20. Januar 2020
Schon vor mehr als einem Jahr hatte Wolfgang Thierse im Parteiorgan Vorwärts mahnend die Stimme erhoben – ebenso wie ein paar Monate später mit Klaus von Dohnanyi ein anderer populärer langjähriger SPD-Politiker. Das taten beide nicht aus Geltungssucht, sondern aus einer Position der Verantwortung und Sorge heraus. [1]Ich habe das seinerzeit hier dokumentiert. Ich hätte beides unterschrieben.
Ich kann verstehen, dass Thierse langsam die Faxen dicke hat. Ich fürchte, die SPD ist mit dieser »Führung« nicht mehr zu retten.
Wolfgang Thierse nervt manchmal, aber wer sich seiner schämt, der oder die weiß wirklich nicht, wie wichtig Leute wie Thierse für das Gemeinwesen sind.
Kurt Kister, SZ
Am Rande bemerkt – und auch darauf hatte ich schon vor ein paar Tagen hingewiesen: Thierses Mahnung erinnert an die Worte Fabio de Masios, als der seinen Verzicht auf eine erneute Bundestagskandidatur für die Linke erklärte.
Wer das Problem immer noch nicht versteht und sich dabei auch noch »fortschrittlich« findet, der will es nicht kapieren und gehört aus der Politik entfernt.
Nachtrag 3.3.2021
In allen bisher hier erwähnten Texten zum Thema wurde auf den FAZ-Beitrag von Wolfgang Thierse verlinkt. Der lag aber hinter der Paywall. Auf Thierses Internetauftritt steht der ganze Text jedoch auch.
Anmerkungen
↑1 | Ich habe das seinerzeit hier dokumentiert. |
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